100 Zweiter Zeitraum.
Großen Kurfürsten in Westafrika angelegten Kolonien um so mehr wertlos,
da sie, vou seinem Vater nicht unterstützt, einen jährlichen Zuschuß erforderten
und sich nur mit Mühe deu Anfeindungen Hollands, Englands und Spaniens
gegenüber behaupten konnten. Friedrich Wilhelm verkaufte sie deshalb au
die Niederländer, die sie allerdings den treuen Negern erst mit Gewalt ab-
nehmen mußten.
Die Rechtspflege litt damals nicht nur iu den Städten (S. 57), sondern
mich in den staatlichen Gerichtshöfen an der Unfähigkeit der Richter und
der Unlauterkeit der Advokaten, an einer Weitschweifigkeit und Kostspieligkeit
des Verfahrens sowie an einer großen Verschiedenheit und Unsicherheit der
Gesetze. Deshalb beauftragte Friedrich Wilhelm gleich beim Antritt seiner
Regierung einen seiner Geheimräte, einen Vorschlag zur Besserung der Rechts¬
pflege auszuarbeiten. „Es ist mein Wille," schrieb er, „daß die Justiz in
allen meinen Landen schnell, unparteiisch, mit reinen Händen, gleich für arm
und reich, hoch und niedrig administriert werde." Als der Beamte feine
Aufgabe aber nicht schnell genug löste, drohte ihm der König mit Strafen
und schrieb: „Ich muß leider so streng sprechen, weil die schlimme Justiz gen
Himmel schreit und, wenn ich es nicht retuediere, ich selbst die Verantwortung
auf mich lade." Bald nachher erschienen auch einige Erlasse zur „Ordnung
und Besserung des Justizwesens". Der Gang der Prozesse ward beschleunigt,
der Gebrauch der Folter eingeschränkt, die Hexenprozesse wurden verboten;
ans dem Richter- und Advokatenstande wurden die unwürdigen Glieder ent¬
fernt, die Gerichtssporteln ermäßigt. Aber die Hoffnung, ein preußisches Land¬
recht zu schaffen, sollte dem Könige nicht erfüllt werden. Als er (1737)
den berühmten Rechtsgelehrten Samuel v. Coeceji an die Spitze der Justiz¬
verwaltung stellte, beauftragte er ihn, auch dafür zu sorgen, daß ein be¬
ständiges und ewiges Laudrecht verfertigt, das römische Recht aber abgeschafft
werde. Die Arbeit wurde zwar aufgenommen, doch erst unter dem folgenden
Könige beendet.
Friedrich Wilhelm wollte, daß jedem möglichst schnell, am liebsten gleich
ans der Stelle sein Recht geschehe; deshalb griff er auch häufig in den
Gang der Prozesse ein und entschied nach seiner Überzeugung. Auch ver¬
langte er, daß alle Urteile über Vergehen und Verbrechen, die Leib und
Leben, Ehre und Gut angingen, ihm zur Bestätigung vorgelegt würden. Er
milderte diese Urteile nie, verschärfte sie meistens. Totschläger begnadigte
er niemals. Hausdiebe, welche über 150 Mark gestohlen und durch Einbruch
oder Einsteigen einen Diebstahl verübt hatten, wurden vor der Thür des
Bestohlenen ausgehängt. Dabei richtete der König aber ohne Ansehen der
Personen und ließ z. B. einen adligen Rat, der bei der Unterbringung der
Salzburger Geld unterschlagen hatte, aufhängen. Die Rechtsanwälte mochte
er nicht leiden, weil die nach seiner Meinung das Unrecht in Recht verdrehten.
In Minden wohnte er einst einer Gerichtssitzung bei. Als der Rechtsanwalt
der ersten Partei geendet hatte, ries der König: „Der Kerl hat recht!" Darauf
redete der Rechtsanwalt der Gegenpartei so geschickt, daß der König mit den
Worten: „Der Kerl hat auch recht!" aufsprang und ärgerlich den Saal
verließ.