278 Dritter Zeitraum.
der bie ihm an Zahl weit überlegenen Gegner, baten bie einheitliche Leitung
fehlte, trotz ihrer Tapferkeit (23. bis 26. Juli) einzeln schlug (bie Badenser
bei Hundheim, die Hessen bei Wertheim, die Württembergs bei Tauber¬
bischofsheim) und sie bis Würzburg zurückdrängte. Als nun anch von Osten
her über Baireuth ein preußisches Hilfsheer unter dem Großherzog von
Mecklenburg den Bayern in den Rücken zu fallen drohte und bereits Nürn¬
berg besetzt hatte, trat (am 1. August) auch hier der Waffenstillstand ein.
Zwar hatte Prenßen infolge seiner vorzüglichen Wehrversassuug trotz
der Verluste noch ebensoviele Mannschaften unter den Waffen als beim
Ausbruch des Krieges; dennoch wünschte der König den Frieden, weil in
seinem Heere die Cholera ausgebrochen war. Auch wollte er die Geguer,
um sie später desto leichter als Bundesgenossen gewinnen zn können, nicht
mehr als durchaus notwendig demütigen und Frankreich nicht zum Kampfe
treiben; baher verzichtete er anch gegen beit Wunsch bes Heeres, aber auf
dringendes Anraten Bismarcks auf eine Besetzung Wiens. Als sich aber
Napoleon für seine, Preußeu sehr lästige Vermittelung eine Entschädigung am
Rhein erbat, erwiderte König Wilhelm entschieden: „Keine Scholle deutschen
Bodens!" und als ber französische Gesanbte Benebetti solche Entschäbigung
unter Kriegsdrohung zu fordern wagte, erwiderte ihm Bismarck: „Lieber den
Krieg!" Napoleon zog daraus seine Hand zurück, aber „Rache für Sadowa"
war schon damals in Paris beschlossene Sache.
In dem am 23. August geschlossenen Frieden zu Prag willigte Öster¬
reich in die Auflösung des Deutschen Bundes und tu die Bildung eines
norddeutschen Butt des unter Preußens Führung, verzichtete auf seine
Rechte au Schleswig-Holstein zu Gunsten Preußens und zahlte 60 Millionen
Mark Kriegskosten, brauchte aber kein deutsches Gebiet abzutreten. Italien
erhielt trotz seiner Niederlagen Venetien, aber nicht, wie es verlangte, Welsch-
Tirol. Sachsen blieb durch Österreichs Verwendung in seinem bisherigen
Umfange erhalten. Gleiche Milde erfuhren die süddeutschen Staaten. Sie
brauchten nur geringe Beiträge zu den Kriegskosten zu zahlen: außerdem
mußte Hessen-Darmstadt bie Landgrafschaft Hessen-Homburg unb andere kleine
Grenzstriche, ebenso Bayern die Grenzgebiete von Orb und Gersfeld abtreten.
Gleichzeitig schlossen Bayern, Württemberg, Baden und Hessen ein zunächst
noch geheim gehaltenes Schutz- und Trntzbündnis mit Preußen, in welchem
sie sich verpflichteten, beim Ausbruch eines Krieges ihre Truppen unter dessen
Führung zu stellen. Hannover, Kurhessen, Nassau, Frankfurt a. M.
unb Schleswig-Holstein würben als brei neue Provinzen mit 5 Millionen
säst ganz evangelischen Bewohnern betn preußischen Staate einverleibt; sein
Gebiet ist jetzt atigerunbet iittb umfaßt beinahe bie ganze norddeutsche Tief¬
ebene sowie die deutsche Ost- und Nordseeküste.
Hannover bildete einen wichtigen Bestandteil des alten Herzogtums Sachsen,
das mit dem Sturz Heinrichs des Löwen zerstückelt wurde. Die roelfifchett Familien-
güter wurden 1235 zu einem Herzogtum Braunschweig - Lüneburg erhoben, das sich
aber durch vielfache Teilungen schwächte. Herzog Ernst August, der in Kalenberg,
Göttingen und Grubenhagen herrschte, erwarb durch Erbschaft das Lünebtirgtsche
und bestimmte durch ein Hausgefetz, daß feine Länder, der Kern der jetzigen Provmz
Hannover, stets ungeteilt nach dem Recht der Erstgeburt in männlicher Linie ver-