332 Dritter Zeitraum.
im Frühjahr 1887, daß der Kronprinz an Halskrebs leide! Vergebens
wurden alle Heilmittel angewandt, vergebens versuchte der hohe Kranke
Heilung in Ems, in den schottischen Bergen, in Tirol und endlich in San
Remo; bald versagte ihm die Stimme gänzlich. Wie lange hatte er sich ge-
wissenhaft auf seinen hohen Berus vorbereitet, jetzt, da ihm die Doppelkrone
zufiel, stand er bereits mit einem Fuße im Grabe!
Sofort nach Empfang der Nachricht vom Hinscheiden seines teuern
Vaters eilte Kaiser Friedrich III., wie er sich jetzt nannte, von dem
sonnigen Süden nach dem noch winterlichen Norden. Wohl selten hat ein
Volk mit mehr Liebe und Vertrauen zu seinem neuen Herrscher empor¬
geschaut, als das deutsche zu Kaiser Friedrich. Das Vertrauen wurde
uoch vergrößert durch dessen erste öffentliche Ansprache, in welcher es heißt:
„Ich bringe Meinem getreuen Volke mein rückhaltloses Vertrauen entgegen.
Mein ganzes Bestreben wird sein, das Werk in dem Sinne fortzuführen, in
dem es begründet wurde, Deutschland zu einem Hort des Friedens zu machen,
und Ich gelobe, ein gerechter und in Freud' und Leid ein treuer König zu
sein. Unbekümmert um den Glanz ruhmbringender Großthaten, werde Ich
zufrieden fein, wenn dereinst von Meiner Regierung gesagt werden kann, sie
sei Meinem Volke wohlthätig, Meinem Lande nützlich und dem Reiche ein
Segen gewesen. Gott wolle Mir seinen Segen und Kraft zu diesem Werke
geben, dem fortan Mein Leben geweiht ist."
Aber feine kurze Regierungszeit war nur ein ununterbrochenes, jedoch
geduldig ertragenes Leiden. „Furchtlos und beharrlich!" diesem seinem
Wahlspruche ist Kaiser Friedrich treu geblieben, sowohl im Gewühl der
Schlacht, als auch auf seinem Schmerzenslager. Als Prinz Heinrich
traurig an dem Lager feines Vaters stand, schrieb dieser ihm auf einen
Zettel: „Lerne leiden, ohne zu klagen; das ist das Einzige, was ich Dich
lehren kann!" Gern erquickte er sich an dem ihm wie aus der Seele ge¬
sprochenen Liede G. v. Willichs:
Wenn der Herr ein Kreuze schickt,
Laßt es uns geduldig tragen!
Betend zu i()m aufgeblickt,
Wird den Trost er nicht versagen,
Denn es komme, wie es will,
In dem Herren bin ich still.
Beim Erwachen des Frühlings schienen sich die Kräfte des Kaisers
wieder zu beleben. Eine große Freude bereitete Kronprinz Wilhelm seinem
sterbenden Vater dadurch, daß er noch einmal einige Garderegimenter an
ihm vorübersührte. Der hohe Kranke konnte auch noch zweimal Berlin auf¬
suchen , bei der Vermählung des Prinzen Heinrich wenigstens der kirchlichen
Trauung beiwohnen und sogar nach seinem Lieblingssitze, dem Neuen Palais
bei Potsdam, übersiedeln. Aber bald daraus trat eine Verschlimmerung
ein, und am 15. Juni hatte der königliche Dulder ausgerungen. Am
18. Juni, dem Jahrestag von Fehrbellin und Belle-Alliance, wurde die
irdische Hülle des Heimgegangenen, der seinem Volke ein Friedensfürst zu
werden gehofft hatte, in der Friedenskirche zu Potsdam, in der auch die