5. Heimkehr. 45
immer war er ruhig und fest geblieben — heute sah sie ihn mit Mühe nach
Fassung ringen. „Lieber Freund," sprach sie sanft, „warum bist Du so
traurig? ist es denn so gefährlich mit mir?" Mit freudiger Rührung hörte
sie, daß ihre geliebten Söhne mitgekommen seien; sie ließ sie rufen und
begrüßte sie mit Zärtlichkeit. Die Prinzen küßten die sterbende Mutter, die
sich eine Weile mit ihnen unterhielt, bis aufs neue beängstigende Brustkrämpfe
eintraten. Der Arzt versuchte, ihr zur Erleichterung der Beklemmung die
Arme auszubreiten und höher zu legen, aber sie ließ sie völlig ermattet
wieder sinken und seufzte schmerzlich: „Ach, mir hilft nichts mehr, als der Tod!"
Um 9 Uhr morgens sank ihr bleiches Haupt zurück, die Augen schlossen
sich, und mit den leise gehauchten Worten: „Herr Jesu, mach' es kurz!"
entschwebte die reine Seele in eine bessere Welt. —
Ter König war wie gebrochen von bitterem Weh; kaum vermochte er
es, der geliebten Toten die Augen zuzudrücken, diese Sterne seines Lebens,
die ihm auf seiner dunklen Bahn so treu geleuchtet hatten. Die Söhne warfen
sich am Bett der besten Mutter auf die Kniee und bedeckten ihre Hände mit
Küssen und Thränen; erst nach mehreren Stunden trafen Prinzessin Charlotte
und Prinz Karl ein, außer sich vor Kummer, die Teure nicht mehr am Leben
zu finden. Und doch mußte jeder laute Klageschrei verstummen, denn auf
dem Antlitz der Entschlafenen lag ein Glanz der Verklärung, und wer sie
auf ihrem Totenbette sah, der nahm die Überzeugung mit, daß sie nun in
seligem Frieden von allen Leiden dieses armen Lebens ausruhen dürfe.
Am 27. Juli kam der Leichenzug in Berlin an, und zum letzten mal
empfing die Hauptstadt ihre Königin. Heiße Thränen und leise geflüsterte
Klagen begleiteten sie zu ihrer Ruhestätte im Dom; auf allen Gesichtern lag
derselbe Schmerz, und jeder Einzelne hatte das Gefühl, daß er etwas Uner¬
setzliches verloren habe. Am 23. Dezember, dem Tage, der zweimal in Luisens
Leben so bedeutungsvoll gewesen, wurde der Sarg, der ihre sterbliche Hülle
umschloß, nach dem Mausoleum überführt, das der König im Charlottenburger
Schloßpark hatte erbauen lassen, und wo er selbst einst an der Seite seiner
Luise ruhen wollte.
Nicht nur Preußen, nein, ganz Deutschland trauerte um die schöne, edle
Königin; auch die Provinzen, die Napoleon der Herrschaft Friedrich Wilhelms
entrissen hatte, fühlten sich in tiefem Leide eins mit dem alten Vaterlande,
und jedes edlere Herz erbebte in dem Gedanken, daß der Feind den guten
Engel Preußens getötet habe. Selbst die Franzosen ehrten diese Trauer,
aber sie ahnten nicht, daß Tausende dieser Unterdrückten und Besiegten sich
durch einen stillschweigenden Schwur verbanden, den Tod ihrer Königin zu
rächen und bei günstiger Gelegenheit das verhaßte Joch der Fremdherrschaft
abzuwerfen.
Aus dem tiefsten Herzen des Volkes heraus fang Theodor Körner an
der Bahre der Königin Luise:
Du schläfst so saust! Die stillen Züge hauchen
Noch Deines Lebens schöne Träume wieder:
Der Schlummer nur senkt seine Flügel nieder,
Und heil'ger Friede schließt die klaren Augen.