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Tiefen besuchte einst, wie die Sage erzählt, der weise Athener Solon.
Krösus ließ ihm alle seine Schätze zeigen und fragte hierauf de» Weisen,
wen er für den Glücklichsten der Erde halte. Zum größten Erstaunen des
Königs nannte dieser den Athener Tellus, weil er wohlgeratene Söhne und
Enkel gehabt habe und nach einem glücklichen Leben den Ehrentod fürs
Vaterland gestorben fei, welches ihn hoch ehre. Auf die weitere Frage,
wen er nach diesem für den Glücklichsten hielte, konnte er noch immer nicht,
wie er erwartete, feinen Namen hören; denn Solon nannte zwei Athener,
Kleobis und Biton, von denen er erzählte: Einst wollte ihre Mutter, eine
Priesterin, zum Opfer nach dem Tempel fahren; da die Zugtiere ausblieben,
spannten sich die Jünglinge selbst vor den Wagen und zogen ihn unter
dem Jubel des Volkes in den Tempel. Zum Lohne dafür erflehte die
Mutter von den Göttern, ihren Söhnen das Beste zu schenken, was es für
Menschen gäbe. Sie legten sich in den Tempel zum Schlaf und erwachten
nicht wieder. Auf die Frage des Krösus, ob er ihn denn nicht für glück¬
lich halte, antwortete Solon:„Niemand ist vor seinem Ende glücklich zu
preisen."
Sehr bald mußte Krösus die Wahrheit dieses Wortes erfahren
in dem Kriege gegen den Perserkönig Cyrns. Mutig gemacht durch
den von ihm zu seinen Gunsten ausgelegten Wahrspruch des delphischen
Orakels: „Wenn Krösus über den Halys geht, so wird er ein großes
Reich zerstören", zog er dem Cyrus entgegen, ward aber geschlagen,
gefangen genommen und zum Feuertode verurteilt. Aus dem
Scheiterhaufen stehend, rief er, eingedenk jener Worte Solons, aus:
„O Solon, Solon!" Als Cyrus von ihm die Bedeutung dieses
Wortes erkundet hatte, schenkte er ihm, vielleicht der Unbeständigkeit
seines eigenen Glücks gedenkend, das Leben.
Eroberung Babylons; Rückkehr der Juden. — Auch dem
Babylonischen Reiche unter Belsazar machte Cyrus ein Ende. Er
eroberte 538 v. Chr. die für uneinnehmbar geltende Stadt Babylon,
indem die Perser, während in Babylon ein großes Fest gefeiert wurde,
das Wasser des Euphrat ableiteten und durch das trockene Flußbett in
die Stadt eindrangen. Den gefangenen Juden gestattete Cyrus
i. I. 536 die Rückkehr in ihr Vaterland.
Ende. — Später unternahm Cyrus einen Zug gegen die
Massageten am Kaspischen Meere; deren Königin Tomyris schlug
ihn in einer gewaltigen Schlacht am Jaxartes, in welcher er das
Leben verlor.
Der Sage nach ließ Tomyris dem Cyrus den Kopf abschlagen, tauchte
ihn in ein mit Blut gefülltes Gesäß und rief aus: „Nun trinke Dich satt,
unersättlicher Barbar!"
Dem Cyrus folgte sein grausamer Sohn Kambyses, welcher
ganz Ägypten unterwarf. Während seiner Abwesenheit hatte sich