— 47 —
bitterer Mangel eintrat. Da wurde der verwegene Cajus MncinZ
(Scävola) znm Retter Roms. Er schlich sich ins feindliche Lager,
um den König zu ermorden, tötete aber irrtümlich dessen in könig¬
licher Kleidung daherkommenden Schreiber. Vor Porsenna geführt,
bekannte er offen sein Vorhaben, und zum Zeichen, daß er die ihm
angedrohten Qualen und Martern nicht fürchte, streckte er zum Grau»
sen aller Anwesenden seine rechte Hand ohne ein Zeichen des
Schmerzes in das nahe Opserfeuer (daher Scävola, d. i. Linkhand,
genannt). Voll Erstaunen und Verwunderung schenkte ihm der
König Leben und Freiheit. Als ihm nun der schlaüe Mucius, als
wolle er sich für solche Großmut erkenntlich zeigen, mitteilte, daß
300 edle römische Jünglinge sich zu seiner Ermordung verschworen
hätten, schloß er Frieden. Rom mußte ein Gebiet auf dem rechten
Tiberufer abtreten und eine Anzahl Geiseln stellen, unter denen
der Sage nach auch die mutige Jungfrau Clölia sich befand,
welche, die Wächter überlistend, mit ihren Genossinnen die Tiber
durchschwamm und nach Rom zurückkam. Von den Römern wurden
sie wieder ausgeliefert, doch schenkte der ritterliche Porsenna, den
weiblichen Mut ehrend, ihr und ihren Freundinnen die Freiheit. —
So berichtet die ausschmückende Sage. In Wirklichkeit aber
ist dieser Krieg für Rom ein recht unglücklicher gewesen.
Krieg gegen die Latiner. — In einem neuen Krieg gegen
die ebenfalls von Tarquinius aufgereizten Latiner siegten die Römer
nach einem Heldenkainpfe am See Regillus (496). — Hoffnungs¬
los und gebeugt ging Tarquinius nach Cumä in Campanien, wo¬
selbst er bald starb.
Kämpfe zwischen Ialriziern und Meöejern.
Die Auswanderung auf den heiligen Verg (494). — In
Rom führten anfänglich die Patrizier die Herrschaft; später jedoch
entstanden langwierige Kämpfe zwischen ihnen und den Plebejern,
toetche_ nach Gleichstellung und Gleichberechtigung strebten. Die
Patrizier genossen nämlich bedeutende Vorrechte, sie waren frei
von Grundsteuern, ihre Felder wnrden während des Krieges von
ihren Sklaven bestellt, und sie allein teilten sich in die Kriegsbeute.
Die Plebejer dagegen lebten unter hartem Druck. Sie "mußten
Grundsteuer zahlen, erhielten im Kriege keinen Sold, mußten für
ihre Ausrüstung selbst sorgen, hatten keinen Teil an der Kriegs-
beute, und ihre Felder blieben während eines Krieges unbebaut.
Infolgedessen verarmten viele von ihnen und wurden Schuldner