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„Nimm, Jonas, nimm und siehe! Das ist in Sommoerglut
und Vinterfrost sauer erworbenes, ehrliches Gut. Das ist dein
Erbteil. Nur zusammengerolltes, leichtes Papier liegt in der
Buobhse; aber, ich sage dir, schöne tausend Gulden schwer. Darum
hüte dich, von dieser Büchse zu reden; zeige sie niemandem;
verbirg sio am heimlichsten Ort. Solchen Bissen dir wegzu-
schnappen, könnte die unschuldigsto Taube zum diebischen Raben
werden. Nur nach vollendeten Lehrjahren, früher nicht, darfst
du das Siegel erbrechen; und auch dann nicht, wenn du dir
anders zu helfen weisst!“
Jonas nahm die leichte, blecherne Büchse, küsste bitterlich
schluchzend die väterliche Hand und gelobte, in allen Stücken
das Geheissene zu erfüllen.
„Ich sterbe zufrieden,“ fuhr jener fort: „wio ieh zufrieden
gelebt habe. Leb' und stirb du auch so, mein Kind! Ich will
dir dazu das besto Mittel an dio Hand geben; es ist probat:
Bete und arbeite! — Beten und Arbeiten verschafft in dieser
und jener Welt guten Platæ.“
Doch merke dir: mit aller Arbeit ist's nur halbes Werk.
Die andere und schwerste, aber beste Hälfte der Arbeit heisst
Sparen. MWas hilft's den Leuten, die vom Morgen bis zum
Abend ein durchlõchertes Fass füllen, das unten ausläuft?“
„Zuerst sparo dir einen Notpfennig; denn die Not kehrt
frũh oder spãt in jodermanns Haus ein. Darum entbehre stand-
haft alles und jedes Entbehrliche. Ob Wein und Braten, oder
Wasser und Brot, — es sieht uns niemand in den Magen, und
man wird doch satt. Hast du also den Notpfennig gewonnen
und geborgen, dann arbeite noch fleissiger; das heisst, sꝑare
einen Hilfspfennig für andere zusammen! Gott hat dich nicht
deinetwillen in dis Welt gesetat, sondern für andere. Hast
du den Hilfspfennig errungen und erschwungen und wendest
ihn weise an: dann, Jonas, dann verwandelt sich dein Pfennig
für Not und Hilfe von selbst zum Ehrenpfennig; dann bist
du nicht abhängig von fremder Gnadengunst; bist eigener Herr;
hast genug geleistet für das Zeitliche.“
Also, mein gutes Kind, bete und arbeitel Beten heilst,
mit dem lieben Gott innig und eins sein. Man ist aber mit
dem Vater im Himmel nicht innig einig, venn man mit seinen
Kindern uneinig ist, sie haset, sis beneidet, verlästert, betrũgt
und zum Bõsen verfũübrt. Seine Rinder sind die übrigen Menschen.
Sei gerecht gegen alle, und gütig gegen so viele, als du kanust.
Was du Löbliches auf Erden verrichtest, das wird dein Not-
pfennig im Himmel werden.“
„Fun geh! Gottes Segen über dich sei deines Vaters Segen
für dieh!“
Also sprach der alte Dhaddãäus.