Full text: Zur deutschen Geschichte (Teil 1)

Die Germanen. 15 
Vertreibung der Römer aus Süddeutschland zu benutzen, trat Marbod in ein 
fteundschaftliches Verhältnis zu Rom. Deshalb kam es zu einem Krieg zwischen 17 
Marbod und Armin, der für Marbod ungünstig verlief. Infolgedessen floh 
Marb ob zu den Römern und starb in Ravenna (39). Hier endete auch Armins 
Gattin Thusnelda in der Gefangenschaft; ihr Sohn Thumelicus soll zum Gladiator 
erzogen worden sein. Armin selbst fiel durch die Hand seiner eigenen Ver- 
wandten (21), wahrscheinlich weil er sich eine feste Herrscherstellung (als König) 
schaffen wollte. Sein Andenken blieb jedoch in hohen Ehren und wurde von den 
Germanen in Liedern verherrlicht. 
Die Romanisierung der Grenzlande und der Einfluß der römischen Kultur 
auf die Germanen. Die den Römern verbliebenen Gebiete auf dem linken 
Rhein- und dem rechten Donauufer wurden allmählich romanisiert und durch 
das sog. Zehutland^) (zwischen dem Oberrhein und der oberen Donau) ver¬ 
bunden. Da dieses keine Naturgrenze hatte, sicherte man es durch den limes 
(Grenzwall; vgl. Erst. Hauptteil S. 101). — Aus den militärischen Stützpunkten, 
d. h. um die wichtigen römischen Stanblager herum, entstanben bann die sog. 
Römerstädte, z.B. Nymwegen, Aachen, Köln, Bonn, Trier, Koblenz, 
Mainz, Worms, Speyer, Sttaßburg, femer Augsburg, Regensburg, Passau, 
Salzburg, Wien u. a. — Alle diese Städte wurden durch festgebaute Kunst- 
straßen mit einander verbunden und an das weitverzweigte römische Straßennetz 
angeschlossen (vgl. Erst. Hauptteil S. 94). 
In den Römerstädten entwickelte sich nun ein reiches Kulturleben, das die 
freien Germanen bei dem regen Grenzverkehr bald kennen lernten. Es entstanden 
Wasserleitungen, Bäder, auch berühmte Heilbäder, wie (das obengenannte) 
Aachen, das spätere Wiesbaden u. a., ferner prächtige Paläste und Tempel. 
Eine verbesserte Landwirtschaft nebst Tierzucht und ein erfolgreicher Bergbau 
wurden gelehrt, Edelobst und Wein angepflanzt, die vielseitige römische In- 
dustrie und Technik herangezogen und betrieben. 
All das bewirkte auch einen Fortschritt der Kultur bei den Germanen, be- 
sonders den Westgermanen. Dazu kam, daß diese sich nicht mehr weiter West- 
und südwärts ausbreiten konnten, infvlgebessen zu größerer Seßhaftigkeit über- 
gingen, bett Boden besser ausnutzten, bas Ackerlanb durch Rehungen des Waldes 
vermehrten unb somit aus Jäger- unb Kriegervölkern eigentliche Bauernvölker 
wurden. Da nun trotzbein bei der stetig sich mehrenden Bevölkerung der Boden 
nicht alle ernähren konnte, traten viele Germanen in römische Dienste, besonders 
Kriegsdienste. Bald gab es im römischen Reich nicht nur zahlreiche germanische 
Söldner sondern auch viele germanische Offiziere und Beamte, die allmählich 
bis in die höchsten Stellen emporstiegen und oft sogar mit Angehörigen des 
römischen Adels, ja selbst der Kaiserfamilien sich vermählten. Umgekehrt drangen 
römische Kaufleute bis tief in die reingermanischen Gebiete vor und boten den 
Germanen die Erzeugnisse der römischen Kultur zum Kaufe oder Tausche an 
(goldene und silberne Schmucksachen, bessere Waffen, feine Kleider, südliche Weine 
u.dgl. gegen Bernstein, Felle, Pelzwerk, Wolle unb bas vielbewunberte ger¬ 
manische Blonbhaar, mit bem bie römischen Frauen sich gerne schmückten). Selbst 
*) Benannt nach dem Zehnten, den die hier Angesiedelten (meist Kaufleute 
und ausgediente Soldaten) als Pacht für die ihnen zugewiesenen Ländereien bezahlen 
mußten.
	        
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