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hat sie ihren Siegeszug vollbringen können. Die Entwicklung den
Technik hat die Blicke aller Menschen auf sich gelenkt, sie prägt
unserem Zeitalter den Charakter auf — so hat man es das Zeit¬
alter der Maschine genannt; richtiger wäre es, vom Zeitalter
des Großbetriebs, der Industrie zu reden.
Entstehung der Textilindustriein England: In
England knüpft die erste Form der Großindustrie, das Verlags¬
system, an die ländliche Verfassung an. Kleine Kätner, die vom
Gutsbesitzer ein Stück Land in Pacht haben, beschäftigten sich
zum Nebenerwerb mit Spinnen und Weben; die Frauen haben
das Spinnrad, die Männer den Webstuhl. Das fertige Garn
und Gewebe liefern sie am Ende der Woche an den Kaufmann
in Manchester ab. Nachdem am Ende des 18. Jahrhunderts die
Baumwolle aus Ostindien eingeführt wird, ist die Nachfrage sehr
gestiegen. Die Kätner verdienen durch ihre hausindustrielle Tätig¬
keit so viel, daß sie die Landwirtschaft aufgeben und als reine
Hausindustrielle leben.
Da kam nach der Ersindung der „spinning jenny“ (1767)
sehr bald die erste mit Wasserkraft betriebene Spinnmaschine und
brachte eine ungeheure Umwälzung der Industrie. Die von
Hargreave und anderen erfundene Maschine wurde am fließenden
Wasser, also meistens in Gebirgstälern, in alten Mühlen auf¬
gestellt. Sie schuf sofort eine sehr viel schnellere und billigere
Produktion. Denn es entstanden zu gleicher Zeit 20 bis 100
Fäden. In unserer Zeit ist sie sogar so weit verbessert, daß sie
bis 1000 Fäden spinnt. Ähnlich wurde auch aus dem Handweb¬
stuhl eine durch mechanische Kraft getriebene Maschine. So ent¬
standen Spinn- und Webefabriken. Die erste Folge davon war,
daß viele Hausindustrielle brotlos wurden — zum Eintritt in
die Fabrik konnten sie sich schwer entschließen, auch waren zur
Bedienung der Maschinen nur wenige Arbeitskräfte nötig. Der
Unternehmer beschäftigte wohl noch viele Handweber, aber
nach dem kapitalistischen Grundsatz vom größtmöglichen Ge¬
winn sah er sich nicht veranlaßt, ihnen mehr Lohn auszuzahlen,
als ihn die Herstellung des Gewebes durch die Maschine kostete.
So sanken die Löhne sehr schnell. Jetzt erst, im vergeblichen,
aufreibenden Konkurrenzkampf gegen die Maschine, wurde das
Verlagssystem zur drückenden "Ausbeutung. Die Arbeitszeiten
wurden verdoppelt, der Lohn war doch geringer als vorheu
und sank immer mehr (Wochenlohn eines Handwebers 179r>
noch 39 sh, 1800 20 sh, 1805 10 sh). Wer wollte sich wun¬
dern, daß die unglücklichen Handweber und Spinner die Ma¬
schinen haßten wie einen persönlichen Feind!
Ähnlich entwickelt sich das Fabrikspstem nach Ersindung