Full text: Zur deutschen Geschichte (Teil 1)

73. 
Aus der Allegorie „Märchen" von Uhlaud (auf die deutsche Poesie) Str. 7, 8, 9. 
Viel stolze Ritter gingen 
Der Holden Dienste nach, 
Heinrich von Ofterdingen, 
Wolfram von Eschenbach; 
Sie gingen in Stahl und Eisen, 
Goldharfen in der Hand: 
Die Fürstin war zu preisen, 
Die solche Diener fand. 
Mit Degen und mit Speere 
Waren sie stets bereit; ° 
Den Frauen gaben sie Ehre 
Und sangen widerstreit. 
Sie sangen von Gottesminne, 
Von kühner Helden Mut, 
Von lindem Liebessinne, 
Von süßer Maienblut. 
Von aller Städte Mauern 
Der Wiederhall erklang, 
Die Bürger und die Bauern 
Erhuben frischen Sang. 
Der Senne hat gesungen, 
Der über den Wolken wacht; 
Ein Lied ist ausgeklungen 
Tief aus des Bergmanns Schacht. 
74. 
Im Lorenzgarten liegt ein Stein 
An einer kühlen Stelle, 
Da schwirren die Vöglein aus und ein, 
Und pfeifen und singen Helle. 
Es ist ein alter Leichenstein, 
Von Trauerweiden beschattet, 
Darunter liegt im engen Schrein 
Ein Sängerherz bestattet. 
Die Vöglein waren seine Lust, 
Er hörte gern ihr Singen 
Und hüpfte selber in der Brust 
Wie muntre Vöglein springen. 
Der Sänger lauschte Acht und Müh, 
Der Lerche Ton zu lernen, 
Auch schallt' sein Lied wie Morgenfrüh 
Aus himmelblauen Fernen. 
Er lernte von der Nachtigall 
Das innigliche Kosen: 
Drum singt er oft mit süßem Schall 
Von Minnelust und Rosen. 
Wogelweide. 
Auch liebt' er wie die Vögelein 
Ein Wanderleben zu führen, 
Und Gärten und Felder aus und ein 
Die Flügel frisch zu rühren. 
So streift' er über den Wiesengrund 
Und über die Bergesgipfel, 
Bis er ein warmes Nestchen fand 
Aus einem stolzen Wipfel. 
An Vöglein mahnt des Sängers Nam', 
Ein Vöglein saß im Schilde, 
Und als er nun zu sterben kam, 
Bedacht' er sie gar milde. 
„Vier Löcher hölt in einen Stein 
Und senkt darein vier Tröglein 
Und schüttet Wasser und Körner ein 
Für meine lieben Vöglein!" 
Und was er bat im letzten Drang, 
Willfahret ward ihm eilig. 
Die Klosterbrüder hielten lang 
Des Sängers Willen heilig. 
Herr Walther von der Vogelweid 
Ist unser Meister geheißen: 
Noch fliegen Vögel aus Wald und Heid' 
Und singen frische Weisen. 
S. Stöber.
	        
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