Full text: Von der germanischen Urzeit bis zum Ausgange der Regierung Friedrichs des Großen (Teil 1)

Die Zeit der Reformation und der Religionskriege. 91 
Ich wollte nicht hunderttausend Gulden dafür nehmen, daßichnicht 
Rom gesehen hätte; ich müßte sonst immer besorgen, ich täte dem Papste 
Gewalt und Unrecht; aber was wir sehen, das reden wir. 
Ich wollte nur wünschen, daß ein jeder, der Priester werden soll, 
zuvor in Rom gewesen wäre und gesehen hätte, wie es da zugehe. Ich 
habe zu Rom von etlichen Hofleuten selbst sagen hören, es sei unmög¬ 
lich, daß es länger so sollte stehen, es müsse brechen. Es ist gar nicht zu 
sagen und zu glauben, wie arg es dort ist. Ist eine Hölle, so ist Rom 
darauf gebauet. Rom ist die heilige Stadt gewesen, aber die aller¬ 
ärgste geworden. • 
Ich habe in Rom viele Messen halten sehen, so daß nur grauet, 
wenn ich daran denke. Es ekelte mir, daß sie so rips, raps Messe lesen 
konnten, als trieben sie ein Gaukelspiel. Ehe ich zum Evangelw kam, 
war man oft mit vielen Messen fertig und rief mir zu: „Weg, weg! 
Mache, daß du fertig wirst! Schick unserer lieben Frau ihren Sohn 
doch bald wieder heim!" — Je naher Rom, desto ärgere Christen. Wer 
zum erstenmal nach Rom geht, der sucht einen Schalk, zum zweitenmal 
findet er ihn, zum drittenmal bringt er ihn mit hinaus. 
Ich bin dazu berufen und gezwungen worden, daß ich mußte Doktor 
werden ohne meinen Dank, aus lauter Gehorsam; da hab ich das Doktor¬ 
amt müssen annehmen und meiner allerliebsten heiligen Schrift schwören 
und geloben, sie treulich und lauter zu predigen und zu lehren. Uber sol¬ 
chem Lehren ist mir das Papsttum in den Weg gefallen und hat mir's 
wollen wehren; darüber ist's ihm aber gegangen wie vor Augen und 
soll ihm noch immer ärger gehen, sollen sich meiner nicht erwehren. 
Dieweil ich eii\ geschworener Doktor der heiligen Schrift bin, bin ich 
froh, daß sie mir Gelegenheit gibt, meinem Eide genug zu tun. 
2. Die wichtigsten der 95 Thesen. 31. Oktober 1517. 
1. Da unser Herr und Meister, Jesus Christus, sprach: Tut Buße, 
wollte er, daß das Leben seiner Gläubigen auf Erden eine stete Buße 
sei. — 2. Und es kann, noch mag solches Wort nicht vom Sakrament der 
Buße, das ist von der Beichte und Genugtuung, so durch der Priester 
Amt geübt wird, verstanden werden. — 5. Der Papst will, noch kann nicht 
andere Strafen erlassen als die. welche er nach seinem Gefallen oder 
laut des Kanons, d. i. päpstlicher Satzung, ausgelegt hat. —10. Die Priester 
handeln unverständig und Übel, die den sterbenden Menschen auferlegte 
Bußen ins Fegefeuer sparen und behalten, ihnen daselbst genug zu tun. 
— 11. Das Unkraut von Verwandlung der Kirchenstrafen in die Strafe 
des Fegefeuers scheint entstanden zu sein, da die Bischöfe schliefen. 
— 21. Es irren die Ablaßprediger, die da sagen, daß durch des Papstes 
Ablaß der Mensch von aller Strafe los und ledig werde. — 27. Die pre¬ 
digen Menschentand, so da vorgeben, sobald der Groschen im Kasten
	        
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