Full text: Von der germanischen Urzeit bis zum Ausgange der Regierung Friedrichs des Großen (Teil 1)

198 Die Zeit des Absolutismus. 
die Dachziegel abgenommen und sogar die Dächer voll Zuschauer; auf 
den Straßen mußte man fürchten, erdrückt zu werden. 
Zwei Meilen von Berlin traf der König schon viele seiner Unter¬ 
tanen, von Sehnsucht getrieben, und die, welche ihm zu Pferde entgegen¬ 
gekommen waren, um ihn bis zum Schlosse zu begleiten. Der König 
nahm sie mit Zufriedenheit und Güte auf. Er faß in einem offenen 
Wagen mit seinen Brüdern, den Prinzen Wilhelm und Heinrich. Die 
Menschenmasse erlaubte ihm nur, Schritt zu fahren; doch dies machte 
den Einzug nur feierlicher, an dessen Spitze sich der General-Postmeister 
mit hundert blasenden, blau uud orange gekleideten Postillonen befand. 
Diesen folgten die Fleischhauer der Stadt und der Umgegend zu Pferde. 
Sie waren braun gekleidet, trugen goldbetreßte Hüte und blaue Feldzeichen 
und bildeten eine Schwadron, woran sich der Oberjägermeister mit allen 
Jagdoffizianten und Jägern aus den nächsten Bezirken schloß. Jetzt 
kam ein Detachement des königlichen Jäger-Regiments und dann eine 
Schwadron Freiwilliger, dunkelblau uniformiert und prächtig beritten, 
welche aus den vornehmsten Bürgern Berlins bestand. Diese umgaben 
den Wagen des Königs. Viele Pagen des Monarchen und der Prinzen 
folgten zu Pferde, und eine Abteilung der Garde-du-Corps beschloß den 
Zug, einer langen Reihe von Kutschen nicht zu gedenken, deren Besitzer 
dem Könige entgegengefahren waren. Die Bürgergarde, durch deren 
Reihen der König fuhr, präsentierte das Gewehr, die Offiziere grüßten 
mit den ©Pontons und den Fahnen, die Trommeln wirbelten, und das 
Volk schrie jubelnd: „Es lebe der König, es lebe Friedrich der 
Große!" Frauen und Mädchen bestreuten des Königs Weg mit Blumen, 
und aus den Fenstern flogen Lorbeerkränze aus den Wagen des Mon¬ 
archen. Ich habe nie ein rührenderes Schauspiel gesehen. Der Pomp 
der Höfe, die Feierlichkeiten, die auf Befehl eines Fürsten ins Leben 
treten, täuschen oft, aber hier war nicht das geringste angeordnet. Bloß 
Bewunderung und Liebe der Untertanen hatte alles eingerichtet und an¬ 
gestellt. Der König war ernst und bewegt, man las das Gefühl seiner 
Würde, aber auch das Glück, der Herrscher eines solchen Volkes zn sein, 
auf seinem Gesicht. Er grüßte rechts und links und rief dem sich zu¬ 
drängenden Volke mehrere Male zu: „Erdrückt euch nicht, meine Kinder, 
nehmt euch vor den Pferden in acht, damit euch kein Unglück begegne!" 
Dabei warf er allen gütige Blicke zu, sprach mit denen, welche ihm nahe 
kamen, noch besonders und machte dadurch die allgemeine Freude voll¬ 
kommen. 
27. Der König an (Socceji *) 1749. 
Es hat mir zu besonders gnädigem Gefallen gereichet, daß Ihr mir 
in Eurem Berichte vom 20. dieses sowohl den ersten Teil des Projekts 
*) Seit 1738 Chef der Justiz in allen preußischen Staaten,
	        
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