Full text: Von der germanischen Urzeit bis zum Ausgange der Regierung Friedrichs des Großen (Teil 1)

Die Seit des Absolutismus 231 
noch dichter, denn sie erwartete den König da; der Vorhof war gedrängt 
voll doch in der Mitte, ohne Anwesenheit irgend einer Polizei, geräu¬ 
miger Platz für ihn und seine Begleiter. Er lenkte in den Hof hmem, 
die Flügeltüren gingen auf, und die alte, lahme Prinzessin Amalie, auf 
zwei Damen gestützt, die^Oberhofmeisterin hinter ihr, wankte die flachen 
Stiegen hinab, ihm entgegen. Sowie er fie gewahr wurde, setzte er 
sich in Galopp, hielt, sprang rasch vom Pferde, zog den Hut, umarmte 
sie, bot ihr den Arm und führte sie die Treppe wieder hinauf. Dce 
Flügeltüren gingen zu, alles war verschwunden, und noch stand die 
Menge, entblößten Hauptes, schweigend, alle Augen auf den Fleck ge¬ 
richtet, wo er verschwunden war, und es dauerte eiue Weile, bis em 
jeder sich sammelte und ruhig seines Weges ging. 
Und doch war nichts geschehen! Keine Pracht, kem Feuerwerk, 
keine Kanonenschüsse, keine Trommeln und Pfeifen, keine Musik, kem 
vorangegangenes Ereignis! Nein, nur ein dreiundfiebzigjähriger Mann, 
schlecht gekleidet, staubbedeckt, kehrte von seinem mühsamen Tagewert 
zurück. Aber jeder wußte, daß dieser Alte auch für ihn arbeite, daß er 
sein ganzes Leben an diefe Arbeit gesetzt und sie seit sünfuudvierzig 
Jahren noch nicht einen einzigen Tag versäumt hatte! Jedermann sah 
auch die Früchte seiner Arbeiten, nah und fern, rund um sich her, und 
wenn man auf ihn blickte, fo regten sich Ehrfurcht, Bewunderung, Stolz, 
Vertrauen, kurz, alle edleren Gefühle des Menschen. 
52. Bon der letzten Dienstreise des Königs 
im August 1785. 
In Hirschberg in Schlesien sind viele Tausende zusammengeströmt, um den König 
zu sehen. Ein Augenzeuge erzählt: 
Man las auf allen Gesichtern, daß man etwas Großes mit Freuden 
erwarte. Endlich kam er, der Einzige, uud aller Augen waren mit dem 
sprechendsten Ausdruck auf ihn gerichtet. Ich kann die Empfindungen 
nicht beschreiben, die sich meiner und gewiß aller bemächtigten, als ich 
ihn sah, deu Greis, in der schwachen Hand den Hut, im großen Auge 
freundlichen Vaterblick auf die unzählige Menge, die seinen Wagen 
umgab und stromweise begleitete. Alle, die das Glück traf, ihn zu sprechen, 
waren über die väterliche Milde des großen Königs außerordentlich ge¬ 
rührt. Der ganze Tag war für die Stadt ein Festtag, und man sprach 
von nichts, als daß der König so freundlich gewesen wäre uud auf die 
Menge so mit Wohlwollen geblickt hatte. 
In der Nacht vom 16. auf den 17. August 1786 starb der König in den 
Armen seines treuen Kammerhusaren Strützky. Seine letzten Worte waren: 
montagne est passee, nons irons mieux.“
	        
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