Object: Die Wiedertäufer in Münster (5)

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Leibröcken mit golddurchwirkten Ärmeln, von denen der 
eine ein großes Paradeschwert, der andere die Bibel trug. 
Unmittelbar hinter ihm ritten sein Statthalter und sein 
Anwalt, dann folgten der Kanzler und die übrigen Hof¬ 
ämter. Das Volk war angewiesen, die Kniee zu beugen, 
wenn der „Gesalbte des Herrn" vorüberritt, was jedoch 
viele nur widerwillig thaten, und sich lieber fern hielten, 
wenn der königliche Zug durch die Straßen dahinzog. 
Um jedoch die Bevölkerung von Münster bei guter Laune 
zu erhalten, ließ der König sie bisweilen unter den Linden 
auf dem Domplatze bewirten, wobei es dann lustig zuging 
und zum Schluß tüchtig getanzt wurde, und auch hierbei 
ging er selbst seinen Unterthanen mit einem guten Bei¬ 
spiel voran. Cs ist wohl in keiner Zeit in Münster so 
viel getanzt worden als während des Wiedertäuferregi¬ 
mentes. Selbst die Gottesdienste wurden nicht selten mit 
einer allgemeinen Tanzlustbarkeit geschlossen. Im Palaste 
des Königs, in dem großen Rathaussaale, auf den öffent¬ 
lichen Plätzen, besonders auf dem schattigen Domplatze, 
ja im Dome selbst, überall wurde getanzt, und daß es 
dabei nicht immer säuberlich und sittlich zuging, sondern 
oft genug die tollste Zügellosigkeit zum Ausbruch kam, be¬ 
darf wohl keiner besondern Erwähnung. 
Aber der König dachte auch daran, sein Reich nach 
außen zu erweitern; deshalb wurden achtundzwanzig Apostel 
ernannt, welche in allen Städten Westfalens und in den 
angrenzenden Ländern das neue Evangelium verkündigen 
sollten. Dusentschür, der „hinkende Prophet", wie er 
wegen eines kurzen Beines genannt wurde, wählte auf 
Befehl des Königs diese Apostel unter den tüchtigsten 
und zuverlässigsten Prädikanten, und mit besondern Segens¬ 
wünschen wurden sie aus der Stadt entlassen. Dusent¬ 
schür selbst war unter diesen Aposteln, von denen keiner 
die Heimat wiedersah, denn sie alle büßten draußen „im 
Lande der Ungläubigen" ihre Kühnheit mit dem Tode oder 
mit ewiger Gefangenschaft. Besonders auf die Schwester¬ 
stadt Osnabrück hatten diese Apostel des neuen Evan¬ 
geliums es abgesehen. Hier hatte schon etwa dreißig
	        
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