337 —
Trotz seiner rastlosen Tätigkeit vermochte Dürer keine Schätze zu
sammeln, sei es nun, daß er nicht immer seinen Vorteil wahrzunehmen
wußte, sei es, daß die Sorge für seine Mutter und seine jüngeren Geschwister
ihn freudigen Herzens manches Opfer bringen ließ. Sein Vater starb 1502.
Vach dessen Tode nahm Dürer seinen jüngsten Bruder Hans, damals 12
Jahre alt, zu sich in die Lehre und sandte den 1Sjährigen Ändreas, den
Goldschmied, auf die Wanderschaft. Auch ihn selbst trieb ein innerer Drang,
die Werke der großen italienischen Meister kennen zu lernen, in die Ferne.
Sein Freund Pirkheimer ermöglichte ihm die Ausführung des lange gehegten
Planes, Italien zu sehen, indem er ihm die benötigte Summe vorschoß und
während seiner Abwesenheit die Sorge für seine Familienangehörigen
übernahm.
Mit einer Anzahl fertiger Arbeiten, kleinen Malereien, Holzschnitten
und Kupferstichen bepackt, machte sich Dürer gegen Ende des Jahres 1505
zu Pferde auf die Reise nach Venedig, wo er bei seinen Landsleuten
und allen wohlmeinenden Freunden der Kunst, selbst unter den „Welschen“,
eine ehrenvolle Aufnahme fand. Bald wurden ihm auch Aufträge zu teil,
unter andern ein großes Gemälde für die deutsche Gemeinde in Venedig,
welches Kaiser Rudolf später aus besonderer Vorsorge auf den Schultern
starker Männer von Venedig nach Wien hat tragen lassen. Der Meister
erhielt nur die geringe Summe von 85 Dukaten dafür, und doch hatte er
5 Monate darauf verwandt und wohl 200 Dukaten nach seiner Meinung
verdienen können, wenn er andere Arbeiten nicht ausgeschlagen hätte, um
dieses zu vollenden. Die Venetianer suchten ihn zu halten und boten ihm
ein Jahresgehalt von 200 Dukaten an, doch Dürer eilte nach fast andert—
halbjähriger Abwesenheit zurück nach seiner geliebten Heimat, wo nun die
Blütezeit seines künstlerischen Schaffens begann. Er hatte gelernt, daß
Einfachheit der höchste Schmuck der Kunst sei.
Ein kostbares Altarblatt malte Dürer nach seiner Rückkehr für die
Predigerkirche zu Frankfurt für 130 Gulden rhn. Dies Bild wurde weit
und breit berühmt. Niemand kam nach Frankfurt, der es sich von den
Mönchen nicht zeigen ließ, deren Kloster durch die Trinkgelder reich wurde.
Kaiser Rudolf II. ließ vergeblich 10000 Gulden dafür bieten. 1613 er—
hielt es Kurfürst Maximilian, und 1674 ging es beim Schloßbrand
zu Grunde.
Die höchsten Erfolge errang Dürer jedoch nicht als Maler, sondern
als Zeichner. Im Kupferstich ist Dürer der erste Meister seiner Zeit.
Er gab dieser Kunst eine Höhe der Vollendung, wie sie vor ihm unbekannt
war und auch später nicht wieder erreicht worden ist. Man kennt über
100 Originalblätter, an welchen die kunstgemäßen Schattenlagen, die Festig⸗
keit des Strichs und die Sicherheit und Wahrheit des Ausdrucks bewundert
wird. Die Anzahl der Holzschnitte ist noch größer, als die der Stiche.
Auch seine plastischen Werke sind mit vollkommener Meisterschaft ausgeführt,
meist Reliefs in Elfenbein, Speckstein und Buchsbaum.
Von den ferneren persönlichen Verhältnissen und Erlebnissen des Künst—
lers in der Heimat ist wenig bekannt. Er mühte sich ab, durch die Kunst
22
Ernst und Tews, Lesebuch f. F. LII.