Full text: Kommentar zu Serie II der Kulturgeschichtlichen Bilder (H. 2)

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stellend; und „uf daz sich ein jeclich ratman destn flisicher beware an seinem 
eide", schmücken eine Ratsspruchtafel, vielleicht die Inschrift 
„eenes marines rede 
ist teerte rede, 
man muß sie billig 
hören beebe!" 
tragend, und Sinnsprüche, moralischen und religiösen Inhalts, die Thüren, 
Wände und Fenster des Saales. 
Auf den hölzernen oder steinernen, mit Kissen oder Polstern belegten 
Ratsbänken nehmen nun die Ratleute Platz, während sich der Bürger¬ 
meister auf den, in der Mitte der Ratsbank sich befindenden Bürgermeister¬ 
gestühle niederläßt, welches oft durch einen darüber gespannten Baldachin 
oder eine thronähnliche Gestaltung ausgezeichnet ist. Auf dem mit einer kost¬ 
baren, oft seidenen Decke überhängten Rathaustische steht das zierliche, 
mitunter in Silber getriebene Kästchen mit den Reliquien, worauf die Rats¬ 
eide geleistet werden müssen (s. 2. Heft S. 22!). 
Gar vielfach sind die Angelegenheiten, welche durch die Ratsver¬ 
sammlung in der Ratsstube zur Erledigung kommen. Heute, als in einer 
gewöhnlichen Wochensitzung, gilt es vielleicht, zu Gericht zu sitzen über ver¬ 
schiedene Vergehen, oder das Bürgerrecht an dazu nach Abstammung, Stand 
oder Ruf geeignete Bewerber zu verleihen, einen Vertrag mit Söldnern zu 
schließen, oder Geld an Landesfürsten gegen Gewährung von Freiheiten zu 
verborgen und dergleichen. 
Oft erheischt es aber die Wichtigkeit einer Sache, den „gancen rat", 
zu welchem also auch die alten Ratsherren gehören, zu versammeln. Dies 
geschieht regelmäßig dreimal im Jahre an genau vorausbestimmten Tagen 
(s. 2. Heft S. 12!), oder auch, wenn es das Wohl der Stadt fordert, zu 
anderen Zeiten. In den ordentlichen Sitzungen des ganzen Rates wird z. B. 
die „Bursprake" festgestellt, welche daun von der an manchen Rathäusern an¬ 
gebrachten Ratslaube, einem gallerieartigen, nach der Straße zu offenen 
Ausbau, durch den wortführenden Bürgermeister oder Ratmann vor ver¬ 
sammelter Bürgergemeinde verlesen wird. 
Endlich werden in der Ratsstube auch die Neuwahlen von Ratsherren 
bei etwa entstandenen Lücken, ferner die jährliche Ablösung der alten Rat¬ 
leute durch die an deren Stelle eintretenden neuen Ratmannen und schließlich 
auch die Neuverteilung der zahlreichen von Ratleuten bekleideten Gemeinde¬ 
ämter vorgenommen. 
Bei diesen Verhandlungen des Rates ist es zuweilen notwendig, die 
Rechts- und Grundbücher der Stadt einzusehen. Diese befinden sich daher
	        
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