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Bawern, denn es wär ja Schade, wenn man keinen frommen Bawern mehr
finden sollte, sondern von denen rede ich nur, so dessen bekannt und es nicht
wohl läugnen können. Von dem Mangel des Gewissens kompt auch dieses
her, daß sie so weidlich und schreklich fluchen, ihrem eigenen Viehe alles
Unglük wünschen, was werden sie dann andern, beydes Menschen und Viehe
thun ? steken voller Lügen und Untrew, tragen gern das Brod ans dem
Hanse, daß, wenn ihnen die Obrigkeit nicht so nahe aufs der Hauben säßen,
sie wol eine newe Sodoma aufrichten möchten: — gehen selten zur Kirchen,
viel weniger zur Beichte, denn sollten sie alle ihre Bnbenstüke erzählen, so
möchte beydes dem Priester und ihnen die Zeit zu lang werden, kommen
sie aber in die Kirche, so erwarten sie des Endes nicht, danken Gott, daß
sie zur halben Predigt, ohne Gefahr herauskommen. Der aufgelegten Buß
achten sie nicht, denn sie haben auch nicht die Zeit. — „In Summa, dahin
ist es kommen, daß wenn man jemand einen argen Bawren schilt, so ist es
ebensoviel, als wenn man ihn einen abgeschanmbten, durchtriebenen Essig uud
Kern Böswicht nennet, als einen Barrabam unter den Mördern, einen
Euribatem unter den Betrügern, einen Harpalum unter den Kirchenräubern,
und was dergleichen ehrbaren Gesindleins mehr seyn mag, denn bei ihnen
ist gemeiniglich weder Gewissen, noch Trew, noch Verstand, sondern lauter
List, Betrug, Falschheit uud Bosheit, mit deren er vom Hauptschädel bis
unter die Fußsohlen durchtrieben ist."
So schildert Garzomis die Bauern seiner Zeit Wie können sie aber
auch viel anders sich zeigen, da ihnen oft eine so unwürdige Stellung
zugewiesen ist uud eine so schimpfliche Behandlung * zuteil wird, da ferner
es auch an jedem Unterrichte fehlt? Erst durch die Reformation kommen
ja den Bauern die ersten Anfänge höherer Intelligenz. Bis dahin befinden
sie sich vor allem auch im tiefsten Banne des Aberglaubens und
* Doch giebt es auch geschichtliche Zeugnisse genug, welche der Meinung widersprechen,
als wären in der damaligen Zeit die Herren ausschließlich ungerecht und hart gegen ihre
Untergebenen verfahren. Als gute, wohlwollende Landesherren waren z. B. Eberhard
der Bärtige, Herzog von Würtemberg, Kaiser Max I., Ferdinand, der Bruder Karls V.,
Friedrich der Weise und sein Bruder, sowie auch der Pfalzgraf vom Rheine, der Mark¬
graf Philipp von Baden und Albert II., Erzbischof von Mainz, hinlänglich bekannt. Auch
aus der stürmischen Zeit des Bauernkrieges lernen wir noch manchen Herrn in dieser
Beziehung näher kennen, dessen reines Gewissen ihn in den Tagen der Not mit Mut
beseelte. So sprach 1525 der Bischof von Würzburg, als er mit Lebensgefahr den
Frauenberg verließ, um mit seinen aufrührerischen Unterthanen zu verhandeln, und die
Räte ihn zur Umkehr bewegen wollten, mit der Zuversicht eines guten Gewissens: ,,Jch
bin mir nicht bewußt, meinen Unterthanen Anlaß zu diesem Vernehmen gegeben zu
haben " Und Georg Truchseß von Waldburg schrieb an seine zum Aufstande geneigten
Bauern: „Ich habe mich oft und viel gegen andere Herren hoch vernehmen lassen, ich
wisse, wenn auch allen Herren ihre Leute abfielen, würden die meinigen solches nicht thun."