Full text: Erläuterungen zu Ad. Lehmanns Kulturgeschichtlichen Bildern und Ergänzung zu jedem Geschichtslehrbuch (H. 6)

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die Gründung der Bruderschaft gern gesehen und gefördert; denn 
die Errichtung von Kapellen, die Geschenke für den Kirchenschatz, 
wie Altartücher, Leuchter und Meßgewänder, die Vermächtnisse 
der Bruderschaft, die wirkungsvollen Aufzüge der mit prächtigen 
Kerzen und Bannern in der Prozession daherschreitenden Gesellen 
waren der Kirche sehr willkommen. Und so lange die Bruder¬ 
schaft den Charakter eines religiösen Unterstützungsvereins be¬ 
wahrte, hatten auch die Meister nichts gegen die Gründung der 
Bruderschaft einzuwenden. Allein bald trat der ursprüngliche Zweck 
des Gesellenverbandes zurück, er verwandelte sich in einen welt¬ 
lichen Verein, der in erster Linie gesellige und vor allem gewerk¬ 
schaftliche Ziele ins Auge faßte. Damit trat der Gesellenverband 
in Gegensatz zur Zuöft, die den Kampf mit den Bruder¬ 
schaften aufnahm, ohne aber nennenswerte Erfolge verzeichnen 
zu können. 
An der Spitze der Gesellenbruderschaft standen die Unter¬ 
gesellen, die Zuschicke-, Alt-, Zech-, Laden- oder Fürgesellen. Die 
Versammlungen, für deren Leitung ein umständliches Zeremoniell 
festgesetzt war, hießen Gebote, Umfragen, Ladentage, Schenken, 
später Auflagen. Der Mittelpunkt der Vereinigung war die Uerte, 
die Trinkstube, später Herberge genannt. Hier war der Brenn¬ 
punkt des Gesellen Verkehrs, wo die Wandernden einkehrten, wo 
man Feste feierte, wo man beratschlagte und Gericht hielt und wo 
man auch die Beiträge einforderte und wo man Krieg oder Frieden 
mit den Meistern beschloß. 
Die sozialpolitischen Kämpfe der Gesellenverbände drehten sich 
hauptsächlich um den Arbeitslohn, um die Arbeitszeit und um die 
Arbeitsvermittelung. Die gebräuchlichsten Waffen der Gesellen im 
Kampfe mit den Meistern waren die Verrufserklärung (das Schmähen, 
Schelten, Auftreiben), der Ausstand, der Boykott. Wie die Städte 
und Meisterzünfte ganzer Landesteile sich zusammenschlossen, so 
traten auch die Gesellenverbände der einzelnen Landschaften zu¬ 
sammen, und im 16. und 17. Jahrhunderte war das ganze Reich 
mit einem dichtmaschigen Netze von Kartellverbänden überspannt. 
Die Gesellen verbände hoben die Standesehre und das Standes¬ 
bewußtsein der Gesellen, errangen für sie bessere Arbeitsbedingungen, 
pflegten die Geselligkeit, und die Feste der Gesellen wurden in 
manchen Städten wahre Volksfeste (Höge der Hamburger Brau- 
knechte, der Münchener Schäffertanz u. a.). Mit den Zünften ver-
	        
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