Frankreich im Kriege mit Europa bis 1812. 21
„Sire, ich habe Ihnen nur meinen Schmerz ausgedrückt."
„Glauben Sie, Madame, daß ich alles, was in meiner Macht steht,
tun werde, um Ihnen das Interesse und die Achtung zu beweisen, die
Sie mir eingeflößt haben."
„Sire, das hängt von Ihnen ab, noch ist es Zeit; unser Glück ist
in Ihren Händen."
In diesem Augenblick stieg die Königin in ihren Wagen, Napoleon
nahm Abschied von ihr, und sie haben sich nicht wiedergesehen.
9. Brief der Königin Luise an ihren Vater.
Frühling 1808.
Bester Vater!
Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für jetzt! Für
mein Leben hoffe ich nichts mehr. Ich habe mich ergeben, und in dieser
Ergebung, in dieser Fügung des Himmels bin ich jetzt ruhig, und in
solcher Ruhe, wenn auch nicht irdisch glücklich, doch, was mehr sagen will,
geistig glückselig.
Es wird mir immer klarer, daß alles so kommen mußte, wie es
gekommen ist. Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Welt¬
zustände ein, und es soll eine andre Ordnung der Dinge werden da
die alte sich überlebt hat und in sich selbst als abgestorben zusammen¬
stürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen,
der, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind
mit ihr nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns. — Das siehet
niemand klarer ein als der König. Noch eben hatte ich mit ihm darüber
eine lange Unterredung, und er sagte, in sich gekehrt, wiederholentlich:
„Das muß auch bei uns anders werden." Auch das Beste und Über¬
legteste mißlingt, und der französische Kaiser ist wenigstens schlauer
und listiger. Wenn die Russen und die Preußen tapfer wie die Löwen
gefochten hatten, mußten wir, wenn auch nicht besiegt, doch das Feld
räumen, und der Feind blieb im Vorteil. Von ihm können wir vieles
lernen, und es wird nicht verloren sein, was er getan und ausgerichtet
hat. Es wäre Lästerung, zn sagen, Gott sei mit ihm; aber offenbar
ist er ein Werkzeug in des Allmächtigen Hand, um das Alte, das kein
Leben mehr hat, das aber mit den Außendingen fest verwachsen ist
zu begraben. 1 1'
Gewiß wird es besser werden, das verbürgt der Glaube an das
vollkommenste Wesen. Aber es kann nur gut werden in der Welt durch
die Guten. Deshalb glaube ich auch nicht, daß der Kaiser Napoleon
Bonaparte fest und sicher auf seinem jetzt freilich glänzenden Throne
ist. Fest und ruhig ist nur allein Wahrheit und Gerechtigkeit, und er
2 rT™T politisch, das heißt klug, und er richtet sich nicht nach ewigen
Gesetzen, sondern nach Umständen, wie sie nun eben sind. Dabei be-