Full text: Kleine Lebensbilder aus dem Alterthum

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zwei Jünglinge ans Argos, Kleobis und Biton, die sich durch Körper¬ 
stärke auszeichneten uud einst bei Gelegenheit eines Festes, bei welchem 
ihre Mutter als Priesterin das Opfer darbringen mußte, dieselbe selbst zum 
Tempel fuhren, weil die Stunde des Opfers da war und die Zug¬ 
thiere ausblieben. Da habe die Mutter, sagte er, die Göttin ange¬ 
fleht, ihren Söhnen das Beste zu geben, was den Menschen zu 
Theil werden könnte; hierauf seien sie nach eingenommenem Opfermahl 
eingeschlafen und nimmermehr erwacht. Ungnädig entließ Cröfns den 
Solon, weil er sein Glück für gar nichts achtete, erfuhr in der Folge 
aber durch herbe Schicksalsschläge, wie Solon Recht gehabt hatte. 
Als dieser nach zehn Jahren in seine Heimath zurückkehrte, fand er 
den Staat von neuen Verwirrungen zerrissen; er zog sich daher als 
hochbejahrter Mann von den Staatsgeschäften zurück. Er mußte es 
noch erleben, daß ein talentvoller und schlauer Mann, Pisistrams 
mit Namen, diese Verwirrungen und Parteiungen benutzend sich zum 
Herrn, oder, wie man es damals nannte, zum Tyrannen*) von 
Athen auswarf. Derselbe ließ indeß Solons Verfassung bestehen und 
regierte überhaupt mit Freundlichkeit und Milde, und Athen genoß 
unter ihm die lang entbehrte Ruhe uud gelangte zu großem Wohl¬ 
stand. Solon soll sich in seinen letzten Lebensjahren nach der Insel 
Cypern begeben haben und dort gestorben sein. 
§. 10. Oolykrates, Tyrann von Samos. 
(530 v. Chr.) 
In den ältesten Zeiten herrschten in allen griechischen Staaten 
Könige, wie wir das schon in der Geschichte des trojanischen Krieges 
gesehen haben. In den Jahrhunderten, die demselben folgten, wurde 
aber in den meisten Staaten die Königswürde abgeschasst; nur 
in Sparta erhielt sich dieselbe. An die Stelle der Könige traten 
nun die vornehmen Geschlechter, die aus ihrer Mitte Leute wählten, 
welche unter verschiedenen Namen mit der Leitung des Staates 
betraut wurden. Aber allmählich gelangten die übrigen Bürger zum 
größeren Wohlstand, bekamen somit Selbstgefühl und begehrten, an 
der Regierung Theil zu nehmen. Darüber geriethen sie mit dem 
Adel in Streit und das führte oft zu blutigen Kämpfen. In solchen 
Zeiten trat denn nicht selten ein einzelner Bürger aus, der durch 
geschickte Benutzung der Verhältnisse, ohne gesetzlich dazu berechtigt 
*) S. über dieses Wort den folg. S-
	        
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