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knickt; Alfred ermunterte nicht bloß seine Unterthanen znr erneuten
Pflege der Wissenschaften, sondern ging auch mit gutem Beispiele
voran. Er sammelte angelsächsische Volkslieder nnd dichtete selbst
Fabeln und Erzählungen, wie er auch Werke aus dem Lateinischen
übersetzte, das er noch im sechsunddreißigsten Jahre lernte. Wie
Carl der Große legte er Schulen an, ließ die zerstörten Klöster und
Städte wieder aufbauen und erhob London zur Hauptstadt des
Landes. Als Mensch war er fromm, gerecht und ehrwürdig und
verdient gewiß, neben Carl den Großen gestellt zu werden; ja Manche
haben ihn höher gestellt, diese bedenken aber nicht, daß Carl eine
viel größere Aufgabe zu lösen hatte, daß sein Reich einen bedeuten¬
deren Umfang besaß und die Völker, die er an seine Herrschaft ge¬
wöhnen mußte, roher und hartnäckiger waren.
§. 8. Heinrich I. (919—936) und Dtto I. -er Große.
(936—973.)
Der Stamm Carls des Großen starb in Deutschland im Jahre
911 mit Ludwig dem Kinde aus; diesem folgte ein fränkischer Graf,
ein entfernter Verwandter des karolingischen Hauses, Conrad I.
Dieser war aber in jenen stürmischen Zeiten, wo die Großen des
Reiches sich immer mehr bemühten, sich unabhängig zu machen und
von allen Seiten Fremde, Ungarn, Normänner und Slaven die
Grenzen beunruhigten, nicht im Stande, die Würde des Reiches und
das Ansehen des Königs nach innen und außen zu wahren. Als er
918 sein Ende herannahen fühlte, berief er seinen Bruder Eberhard
nach Weitburg in Nassau, wo er krank lag, übergab ihm die Reichs¬
kleinodien, die heilige Lanze, den Purpurmantel, das Schwert, die
Armbänder und die Krone und forderte ihn im Beisein der Großen
auf, dieselben dem Herzog von Sachsen, Heinrich, zu überbringen
und ihm zu sagen, daß er ihn zum Nachfolger empfohlen habe. Die
Großen stimmten bei und nach dem bald darauf erfolgenden Tode
Conrads begab sich Eberhard sofort zu Heinrich, der sich meist auf
seinen Gütern am Harze aufhielt. Er soll damals gerade auf dem
Vogelheerde bei Brauuschweig mit Vogelfang und Jagd beschäftigt
gewesen sein, als Eberhard bei ihm erschien, und davon haben später
Chronisten Veranlassung genommen, ihm den ganz unpassenden Namen
der Finkler oder Vogelsteller zu geben.