Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in höheren Töchterschulen

Die neueste Zeit. 111 
Ludwig XVI. (1774—1793) war ein von Herzen guter, 
aber schwacher Fürst, dem, obgleich ihn die besten Absichten be¬ 
seelten, doch die Kraft fehlte, in so schwerer, sturmbewegter Zeit 
das Staatsruder zu führen. Namentlich gewann seine Gemahlin 
Marie Antoinette, Maria Theresias hochgebildete Tochter, 
einen nachteiligen Einfluß auf die Regierung. Ihr hochmütiger 
Stolz und die Verschwendung, die sie trotz der allgemeinen Not 
trieb, entfremdeten ihr die Liebe des Volks. Um der Geldnot 
abzuhelfen und den furchtbaren Steuerdruck, der auf dem Bürger¬ 
und Bauernstande lastete, zu erleichtern, hatte Ludwig schon ver¬ 
schiedene Minister zu rate gezogen, aber selbst der tüchtige Necker, 
ein Genfer, war dazu nicht im stände, weil Adel und Geistlich¬ 
keit sich entschieden einer Besteuerung widersetzten. Endlich gab 
Necker den Rat, die Stände- d. h. die Abgeordneten des Adels, 
der Geistlichkeit und des Bürgertums einzuberufen, und diese 
traten denn auch im Mai 1789 zusammen. Bald aber ent-1789. 
standen Streitigkeiten unter ihnen, bis sich endlich die Ab¬ 
geordneten des dritten Standes für die alleinige National¬ 
versammlung erklärten. (Sieyes, Mirabeau.) Nach einem 
mißlungenen Versuche, die Sitzungen dieser Versammlung zu ver¬ 
hindern, gab der schwache König nach und riet den Abgeordneten 
des Adels und der Geistlichkeit, sich dem Bürgerstande, welcher 
soviel Abgeordnete zählte, als jene beiden zusammen, anzu¬ 
schließen. — Durch diese Vorgänge war Paris in beständiger 
Aufregung, welche noch durch die aufrührerischen Reden von Volks¬ 
führern genährt und gesteigert wurde. — Als der Hof Truppen 
in Versailles zusammenzog und der volksfreundliche Necker plötzlich 
entlassen wurde, erreichte die Aufregung den höchsten Gipfel, und 
das Volk erstürmte und zerstörte das verhaßte Staats¬ 
gefängnis der Bastille. Schon damals verließen mehrere 
Prinzen, darunter des Königs Bruder, und viele der vornehmsten 
Edelleute Frankreich. — Von der Hauptstadt verbreitete sich der 
Aufruhr über das ganze Land; die furchtbar gedrückten Bauern 
zerstörten die Klöster und die Schlösser ihrer Gutsherren. Die 
Nationalversammlung schaffte hierauf die Frondienste ab und 
erklärte alle vor dem Gesetze für gleich; der Adel büßte also 
alle seine Vorrechte ein, alle Titel verschwanden, die Kirche verlor 
ihr Vermögen, und die Klöster und religiösen Orden wurden ab¬ 
geschafft. Frankreich wurde anstatt der alten geschichtlichen Pro¬ 
vinzen nach geographischen Rücksichten in Departements ein¬ 
geteilt. Um dem Geldmangel abzuhelfen, wurde Papiergeld 
herausgegeben, die sogenannten Assignaten, aber diese wurden 
endlich in solcher Menge fabriziert, daß sie schließlich allen 
Wert verloren. 
Als der König zögerte, diese Beschlüsse der Nationalver¬ 
sammlung anzuerkennen, erhob sich ein neuer Aufstand des
	        
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