Full text: Die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) (Hauptteil 3)

Napoleons Wiederkunft und Ausgang. 
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der Bruder des Hingerichteten Königs als Ludwig XVIII. den verwaisten 3. Mai 
französischen Thron und gab dem Lande eine Verfassung (Charte) 
nach dem Muster der englischen (Pairskammer, Deputiertenkammer). 
Dann schloß er mit den Verbündeten den (ersten) Pariser Frieden: Frank- 1814 
reich erhielt die Grenzen, die es am 1. Januar 1792 (also vor Ausbruch 30,101 
des ersten Koalitionskrieges) gehabt hatte, mit Einschluß von Avignon, 
Mömpelgard und Savoyen-Nizza. Die Neuordnung der europäischen 
Verhältnisse sollte durch einen Kongreß in Wien vorgenommen 
werden. 
Der für Frankreich so überaus glimpfliche Friede erklärt sich daraus, daß 
man für all das Urtheil, das Europa erduldet hatte, nicht das französische Volk, 
sondern Napoleon allein verantwortlich machte. Auch wollte man durch milde 
Bedingungen die Stimmung des französischen Volkes für die vom Auslande 
eingesetzten Bourbonen gewinnen und so ihrer neubegründeten Herrschaft Dauer 
verschaffen. 
c) Napoleons Wiederkunft (1815) und Ausgang. 
Vorgeschichte. Die Absicht der Verbündeten, das legitime Königtum in Frank¬ 
reich zu sichern, scheiterte daran, daß die Bourbonen (nach einem Ausspruch 
Napoleons) „nichts gelernt und nichts vergessen hatten". Lndwig XVIII., nicht 
ohne Verstand und Herzensgüte, aber eigensinnig und voller Vorurteile gegen die 
neuen Zeitideen, ließ sich zu sehr von den zurückgekehrten Emigranten beein¬ 
flussen, die alles feit 25 Jahren Geschehene womöglich für nichtig erklären und 
die alten Zustände wieder herstellen wollten. Deshalb bemächtigte sich der großen 
Mehrheit des Volkes eine wachsende Verstimmung und die Unzufriedenheit 
in Frankreich nahm überhand, besonders als an die 150 000 Soldaten teils aus 
der Kriegsgefangenschaft teils aus den fremden Festungen heimkehrten und 
ihre bonapartistische Gesinnung im Lande verbreiteten. Sowie 
nun Napoleon obendrein noch vernahm, daß die Zwistigkeiten zwischen den Kon¬ 
greßmächten (in Wien) sich zuspitzten, versuchte er abermals fein Glück. 
1. Napoleons Rückkehr. Die Nachricht von der Landung Napoleons 1815 
(bei Cannes) erweckte allenthalben in Frankreich stürmische Begeisterung.1'rarä 
Durch einige klug berechnete Proklamationen gewann der Kaiser rasch 
Volk und Heer und trat dann seinen Siegeszug nach Paris an. Die zu seiner 
Bekämpfung ausgefandten Truppen gingen jubelnd zu ihm über; viele 
seiner alten Generale, voran Marschall Ney, schlossen sich ihm an. Ratlos 
und bestürzt flüchtete der Hof über die belgische Grenze; unmittelbar nach 
der Flucht Ludwigs XVIII. zog Napoleon in die Tuilerien ein und berief 19. März 
ein aus Männern der Revolutionszeit (Carnot, Davout, Fouche u. a.) be¬ 
stehendes Ministerium. So begann die Herrschaft der hundert Tage seit 20. Marz 
unter glückverheißenden Vorzeichen. 
Aber auch Napoleon hatte nichts „gelernt und nichts vergessen". Wohl machte 
er freiheitliche Zugeständnisse und beschwor sie öffentlich auf einem Maifeld (nach 
dem Vorbild Karls d. Gr.); doch fühlte man dabei heraus, daß er int Falle des 
Gelingens den kaiserlichen Absolutismus neuerdings errichten werde. Deshalb
	        
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