Full text: Die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) (Hauptteil 3)

Ter Wiener Kongreß. Die Heilige Allianz. 169 
nicht an das B u n d e s g e b i e t angeschlossen, weil sie zum ehemaligen Deutschen 
Reiche auch nicht gehört hatten. Bei dieser eigenartigen Zusammensetzung war der 
Bund ein sehr unbeholfenes Gebilde; doch wahrte er wenigstens dem deutschen 
Volke nach außen hin einen fünfzigjährigen Frieden. Nach innen sollte er die Un¬ 
abhängigkeit und Unverletzlichkeit der Bundesglieder erhalten und Streitigkeiten 
zwischen ihnen verhüten. Die ständige Vertretung der Bundesregierungen (nicht 
der Bevölkerung) war der B u u d e s t a g in Frankfurt a. M., in dem Österreich 
den Vorsitz führte. Das Stimmenverhältnis regelte man so, daß Öster¬ 
reich und die 5 Königreiche je 4 (— 24), die übrigen Staaten zusammen 46 Stimmen 
erhielten, die kleineren Bundesglieder also von den größeren nicht leicht überstimmt 
werden konnten. Das Bundesheer sollte 300 000 Mann stark sein, entbehrte 
aber der einheitlichen Organisation. Bundesfestungen waren Mainz, 
Luxemburg, Landau, Rastatt und Ulm. — Artikel 13 der Bundesakte stellte für 
die einzelnen Bundesstaaten landständische Verfassungen in Aus¬ 
sicht. — Da man das deutsche Verfassungsgesetz in die Wiener Kongreßakte aus¬ 
genommen hatte, glaubte man in Petersburg, Paris und London, daß ohne Zu¬ 
stimmung der Kongreßmächte nichts daran geändert werden dürfe, Deutschland 
also gewissermaßen unter europäischer Vormundschaft stehe (vgl. die „Garantie" 
Frankreichs und Schwedens für den Westfälischen Frieden). 
So erschien die Neuordnung Deutschlands als wenig befriedigend. Nach wie 
vor war eine einheitliche Leitung wegen des Nebeneinanderbestehens zweier 
Großmächte unmöglich. — In Bezug auf Staatsbürgerrechte, Wehrverhältnisse, 
Rechtspflege, Steuer- und Zollwesen, innere Verwaltung, Maß-, Gewichts-, 
Münzverhältnisse 2C. k. fehlte jede Gemeinsamkeit. — Eine Mitwirkung des Volkes 
bei der Entscheidung seiner Geschicke, das Recht der freien Meinungsäußerung in 
der Presse, in Vereinen u. dgl. wurden entweder gar nicht oder nur in einigen 
Bundesstaaten gewährt. Demgemäß griff bei vielen Vaterlandsfreunden eine 
Enttäuschung um sich. 
2. Die Heilige Allianz entsprang der Überzeugung der leitenden 
Kreise, daß in den Nationen zu wenig Achtung vor dem Bestehenden vor¬ 
handen sei und daß man infolgedessen das Autoritätsgefühl 
stärken müsse. Hiesür erschien bie Religion als geeignet. Deshalb 
schlossen Kaiser Alexander (russisch-orthodox), Kaiser Franz (katholisch) und 
König Friedrich Wilhelm (protestantisch) noch vor Abschluß des zweiten 
Pariser Friedens in Paris einen Bruderbund, worin sie gelobten, bei ihren 1815 
Völkern den Geist des Christentums zu pflegen und dabei mit gutem Bei- 
spiel voranzugehen. Dem Bunde traten fast alle Fürsten Europas bei; 
nur England hielt sich fern. 
Da überdies der Verlauf der Französischen Revolution gezeigt hatte, daß 
die konstitutionellen Bestrebungen 1789/90 der Anfang des ganzen Unheiles 
gewesen waren, wurde das Verlangen der Völker nach Verfassungen fortan fast 
überall bekämpft. Die Seele dieser sog. Reaktion war der österreichische Minister 
Metternich. 
Das Geistesleben im Revolutionszeitalter. 
Das sog. Revolutionszeitalter ging, selbst mit Einrechnung der Kaiser¬ 
zeit, viel zu rasch vorüber, als daß es auf rein geistigem Gebiete eine aus-
	        
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