Das Geistesleben im Revolutionszeitalter. 171
Jean Paul (Joh. Paul Friedr. Richter) aus Wunsiedel, dessen Romane f 1825
mit ihrer idyllischen Kleinmalerei (Titan, Flegeljahre) damals viel Anklang
fanden, außerdem der gemütvolle Peter Hebel aus Basel (Alemannische f 1826
Gedichte, Schatzkästlein).
Im Gegensatze zur Ausklärung und zum Neuklassizismus malte sich dann
die Romantik ein „lieddurchwobenes" Dasein aus, das im Mittelalter geherrscht
haben sollte, und schwärmte für das „Reich der Träume und Geister", für
„Märchenpracht" und „mondbeglänzte Zaubernacht". Abgesehen von manchem
Überschwang hat die Romantik das Verständnis für mittelalterliche Sprache
und Dichtung gefördert, in Deutschland das Nationalgefühl und die Vaterlands¬
liebe gehoben sowie die Literatur durch wertvolle Übersetzungen ausländischer
Meisterwerke bereichert. Berühmte Namen sind in Deutschland: Novalis-
Hardenberg (t 1801; geistliche Lieder), die Brüder Schlegel (Aug. Wilh.
f 1845, Friedr. t 1829; Shakespeare- Übersetzung), Treck (f 1853; altdeutsche
Sagen und Märchen), Schleiermacher (f 1834; „Reden über die Re¬
ligion"; vgl. S. 160), Ma11hisson (f 1831; elegische Naturpoesie), Bren¬
tano (t 1842) und sein Schwager Arnim (f 1831; „Des Knaben Wunder¬
horn"), C h a m i s s o (f 1838; „Peter Schlemihl"), Eichendorff (t 1857;
Gedichte und Novellen), Heinr. v. Kleist (f 1811; „Käthchen von Heilbronn",
„Prinz Friedrich von Homburg", „Der zerbrochene Krug", „Die Hermanns¬
schlacht" vgl. S. 160), Fouque (f 1843; „Undine") u. a. — Übertrieben
wurde die Hinneigung der Romantik zum Spuk- und Geisterhaften durch die
wild-phantastischen Erzählungen des Amadeus H o f f m a n n (t 1822) und
die unheimlich-grausigen „Schicksalstragödien" z. B. von Zacharias Werner
(t 1823).
Von französischen Vertretern der Romantik sind außer Chateau¬
briand (f 1848) und Frau v. S t a e lx) (f 1817) noch Lamartine (f 1869;
lyrische und epische Gedichte), dann Victor Hugo (f 1885; Gedichte, Dramen,
Romane), als Gegner der Romantik der volkstümliche Liederdichter Bcranger
(t 1857) und der fruchtbare Dramatiker S c r i b e (f 1861) zu nennen.
Der gefeiertste englische Vertreter der Romantik war der leidenschaftliche
und schwermütige Lord Byron, der nach einem ziellosen Wanderleben im
Kampfe für Griechenlands Freiheit (in Missolunghi) den Tod fand (f 1824).
Von Thomas Moore (f 1852) sind die „Irischen Melodien und Gesänge"
bekannt. Walter Scott (t 1832) erlangte Weltruf durch seine geschichtlichen
Romane. Dauerndes Interesse erregte der Amerikaner Co o per (t 1851)
durch anschauliche Schilderungen aus dem Indianer- und Ansiedlerleben. Charles
Dickens (t 1870) zeigt sich in seinen Sittenromanen als witziger und gemüt¬
voller Volksschriftsteller.
3. Die Tonkunst geriet, wenigstens in Deutschland, ebenfalls unter den
Einfluß der Romantik. So schenkte u. a. Karl Maria v. Weber unseremf 1826
Volke ^pern von unvergänglicher Schönheit (Freischütz, Preziosa, Euryanthe,
Oberon); Franz Schubert bereicherte die Musik um tiefempfundene, klang- f 1828
volle Lieder (z. B. die „Müllerlieder").
4. Tie Wissenschaften standen insofern unter der Einwirkung des Zeit-
geistes, als zunächst der S. 108 erwähnte Neuhumanismus auch eine Neube-
x) Frau v. Stael erregte durch ihr vorurteilsloses Blich „De l’Allemagne“,
in dem sie die guten Seiten des deutschen Volkscharakters offen anerkannte, den
Zorn Napoleons und wurde mit Landesverweisung bestraft (S. 148).