10 Die Vorboten der Neuzeit.
Die zahlreichen, schöngeformten Fenster lassen reichlich Licht ein. Die Ornamentik
der Säulen und Gesimse, anfangs nach korinthisch-römischem Vorbild reich ge¬
staltet, tritt in der Hochrenaissance mehr zurück, um die Einfachheit und Sym¬
metrie der Linien reiner zur Wirkung kommen zu lassen. Neben prächtigen
Kirchen entstanden glanzvolle Palastbauten.
Der erste Baumeister, den man der Renaissance zuzählen darf, ist Bru-
11446 nelleschi. Er schmückte den vor ihm (gotisch) begonnenen Dom zu Florenz
mit der charakteristischen Riesenkuppel und errichtete den Palazzo Pitti (eben-
t 1514 falls in Florenz). Dann begann (1506) Bramante unter Papst Julius II.
den Bau der gewaltigen neuen Peterskirche in Rom, des Ideals der italienischen
Renaissancekunst (fortgeführt und vollendet [1626] von Michelangelo, der die
großartige Kuppel schuf, und anderen Meistern). Erwähnenswert sind noch
die Paläste Farnese und Barberini in Rom mit ihrer vornehmen Einfachheit
sowie die reichgeschmückte Bibliothek von San Marco in Venedig.
3. Die Plastik. Die Bildende Kunst im engeren Sinne vereinigte Natur¬
wahrheit mit harmonischer Schönheit und mächtiger, großzügiger Gestaltung.
1 1488 Der Florentiner V e r r o c ch i o schuf in seinem David, zu dessen Füßen Goliaths
Haupt liegt, ein Werk von Lebenstreue und Beseelung; das eherne Reiterstand¬
bild des Colleoni zu Venedig (vom gleichen Meister) versinnbildlicht einen Eon-
dottieri voll Kraft und Selbstbewußtsein. Der Hauptvertreter der Renaissance»
t 1564 kunst war Michelangelo, der teils in Rom teils in Florenz wirkte (zugleich
Baumeister und Maler). Seine sog. Pieta (in der Peterskirche zu Rom) stellt
die Mutter des Hellandes dar, wie sie schmerzergrissen den toten Sohn in den
Armen hält. Der als Gegenstück zu Verrocchios Werk gedachte David (zu Florenz)
zeigt uns den jugendlichen Helden in höchster Spannung bei Beginn des Kampfes
mit dem Riesen. Der überlebensgroße Moses (in Rom) veranschaulicht den
Gesetzgeber, wie er zorndurchdrungen die Anbetung des goldenen Kalbes erblickt.
Die beiden Grabmäler der Medici (zu Florenz) gleichen sich in der Anordnung:
in einer Wandnische sitzt je ein Fürst (Giuliano und Lorenzo); darunter liegen
je zwei allegorische Figuren (Tag und Nacht, Morgen und Abend).
4. Die Malerei verband höchste Naturtreue mit idealer Schönheit. Tiefe
poetische Empfindung bekundet die Madonna mit Engeln (zu Florenz) von
t 1510 Botticelli. Von dem vielseitigen (Maler, Baumeister, Bildhauer) Lio -
t 1519 nardo d a Vinci stammen das berühmte Hl. Abendmahl (irrt Speisesaal
eines Mailänder Klosters) und das wunderbare Frauenbildnis Mona Lisa mit
seiner innigen Verschmelzung von körperlicher Naturtreue und seelischem Leben.
Michelangelo bewies seine staunenswerte Künstlerschaft durch die leben¬
sprühenden Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle (im Vatikan); sie schildern
einige Haupttatsachen der Hellsgeschichte (Schöpfung, Sündenfall, Verkündigung
des Erlösers); ergänzt werden sie durch das großartige Jüngste Gericht an der
t 1520 Altarwand der gleichen Kapelle. Der früh (zu Rom) dahingeschiedene Raffael
vereinigte in feinen Madonnenbildern liebliche Anmut mit hoheitsvoller Würde;
am bekanntesten sind die Sixtinische Madonna (jetzt im Dresdener Museum)
und die Madonna della Sedia (in Florenz). Außerdem schuf er die herrlichen
Fresken in den vatikanischen Stanzen (Empsangsräumen); die Wandgemälde
versinnbildlichen die Theologie, Philosophie, Dichtung und Rechtswissenschaft,
t 1534 Correggio (in Parma) war der sog. Meister des Helldunkels, d. h. er er¬
zielte wundervolle Licht- und Farbenwirkungen durch die Gegensätze; so strahlt
z. B. in seiner Hl. Nacht helles Licht von der Krippe aus, beleuchtet die halb-