Full text: Bayern unter Prinzregent Luitpold und König Ludwig III. Der Weltkrieg (seit 1914) (Hauptteil 3, Ergänzungsheft)

Der Weltkrieg (feit 1914). 11 
territorialen Ausdehnungsbestrebungen Englands entgegen; innerlich waren 
-er französische und der russische Wettbewerb der englischen Industrie und 
dem englischen Handel an Leistungsfähigkeit nicht gewachsen, also wenig 
gefährlich. Dagegen wurde der deutsche Wettbewerb dem englischen mehr 
und mehr innerlich überlegen, d. H. die deutschen Erzeugnisse waren besser 
und billiger als die englischen, mußten sie also auf dem Weltmarkt früher 
oder später verdrängen. Um die deutsche Konkurrenz zu beseitigen, gab 
es für England zwei Wege: entweder die deutsche Leistungsfähigkeit an 
innerer Güte zu übertreffen oder den deutschen Konkurrenten womöglich 
zu vernichten. England wählte den letzteren Weg. Nach der seit Jahr¬ 
hunderten bewährten englischen Überlieferung, die britischen Interessen 
durch irregeleitete kontinentale Völker verfechten zu lassen, trat England 
dem Zweibund bei und entfesselte dadurch (1914) den Weltkrieg1). 
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der Weltkrieg in seinen letzten 
Ursachen teilweise schon auf die Ereignisse von 1870/71, d. h. also auf die 
nationale Einigung und die damit zusammenhängende politische und 
wirtschaftliche Erstarkung Deutschlands, zurückgeht. Seitdem lag die 
Kriegsgefahr sozusagen „in der Luft" und nur ber unerschütterlichen 
Friedensliebe Deuts chlaubs hatte es Europa zu verbanken, baß ber Krieg 
wenigstens 44 Jahre lang vermieben werben konnte. 
Schon im Jahre 1875, als sich Deutschlanb über bie ganz offen be¬ 
triebenen französischen Rüstungen zum Revanchekrieg beunruhigt zeigte, 
benutzte bie englische Regierung ben Anlaß, um Rußlanb unb Österreich einzu¬ 
laben, man möge gemeinschaftlich Deutschlanb zum „Frieben" zwingen. Nur 
an ber Ehrlichkeit ber beiben Kaiser Alexanber II. (von Rnßlanb) unb Franz 
Joseph (von Österreich) scheiterte ber heimtückische Plan Englanbs. 
Dann trug ber russtsch-türkyche Krieg (1877/78) zur Verschlechterung 
ber deutsch-russischen Beziehungen bei. Obwohl Rußland die Früchte 
seines Sieges Hauptsächlich auf Englands Betreiben größtenteils wieder 
verlor, wußte es die englische Regierung in Petersburg so hinzustellen, 
als ob Bismarck auf dem Berliner Kongreß die russischen Ansprüche 
preisgegeben hätte. Die russische Verstimmung gegen Deutschland blieb 
bestehen und führte (1879) zum deutsch-österreichischen Bündnis. 
Bei der Festsetzung der Engländer in Ägypten und im Sudan (1882 
bis 1904) opferte Frankreich den größten Teil feiner nordafrikanischen 
Interessen, nur um nicht gegen England auftreten zu müssen: benn bie 
Franzosen wollten einerseits ihr Heer für ben Krieg gegen Deutschlanb 
unversehrt erhalten, anberseits sich bas Wohlwollen ber Englänber für ben 
x) Für den Ausbruch des Weltkrieges ist lediglich der Beitritt Englands zum Zwei¬ 
bund entscheidend gewesen. Denn ohne das Vertrauen auf die englische See- und vor 
allem Geldmacht würden Frankreich und Rußland den Angriff auf Deutschland und 
Österreich wohl kaum gewagt haben. Daß auch Italien in selbstmörderischer Torheit 
gegen seine bisherigen Bundesgenossen auftrat, ist weniger aus sachlichen als persön¬ 
lichen und Gefühlsgründen zu erklären, auf die unten näher eingegangen werden wird.
	        
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