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Bayern unter Prinzregent Luitpold.
Deshalb geuoß der ehrwürdige Regent bei aller schlichten Einfachheit
seines Wesens ein Ansehen, das weit über die Grenzen Bayerns hinaus¬
ging. Dies zeigte sich besonders an den denkwürdigen Tagen, wie sie mehr¬
fach in die Regierungszeit Luitpolds fielen. Zu nennen sind: die König-
Ludwig-Zentenarfeier (1888)1), das Gedächtnisfest der 100jährigen Re¬
gierung des Wittelsbacher Zweiges Birkenfeld (1899), der 80. Geburts¬
tag des Regenten (1901), an dem dieser die Prinz-Lnitpoldstistung für
gemeinnützige und wohltätige Zwecke errichtete, ferner die Zweijahrhundert¬
feier des Bayerischen Befreiungskampfes 1705/06 und schließlich das
Hundertjahrfest des bayerischen Königtums (1906). Ein ganz besonderer
1811 Freudentag für das bayerische Volk war aber das 90. Geburtsfest Luit-
Polds, das zahllose Beweise der Liebe und Hochachtung von nah und fern
brachte. Diese allgemeine Anhänglichkeit verdiente Luitpold auch vollauf;
denn trotz seiner hohen Jahre war er voll Empfänglichkeit und Verständnis
für alle Strömungen und Erscheinungen der Gegenwart. Das jeweilige
Hoflager des Regenten galt mit Recht als eine der gastfreiesten Stätten:
fast täglich fanden sich Vertreter der verschiedensten Stünde an der könig¬
lichen Tafel und scharten sich dann um den Prinzen in dessen Arbeits¬
zimmer, wobei der Regent in der ungezwungensten Weise jeden in die
Unterhaltung zog und sich über alles eingehend unterrichtete.
Von einmal erprobten Beratern ging Luitpold nicht gerne ab. So
behielt er das Ministerium Lutz in der Zusammensetzung, wie er es (1886)
vorfand, obwohl es mit der Mehrheit der Abgeordnetenkammer nicht
immer übereinstimmte?) Nur gcUz gewichtige Gründe konnten den Re¬
genten zu einem Wechsel von Vertrauenspersonen veranlassen.
Demgemäß bildete die Zeit der Regentschaft zwar einen nach außen
hm wenig ausfallenden, dafür aber im Innern überaus fruchtbaren und
segensreichen Abschnitt der bayerischen Geschichte.
a) Innere Verwaltung. Zur Förderung der Landwirtschaft diente die
1900/08 Errichtung der Landeskulturrentenanstalt und der Bayerischen Land¬
wirtschaftsbank; beide hatten den Zweck, deu Gemeinden für Bodenverbes¬
serungen u. dgl. unkündbare Darlehen zu niederem Zinsfuß zu gewähren. An
der Erweiterung der Anbauflächen, Hebung des Getreide-, Gemüse- und Futter¬
mittelbaues arbeiteten auch die vermehrten Kulturbauämter sowie die Landes-
moorkulturftatiou. Zur fachmännischen Belehrung und Ausbildung der Land¬
wirte schuf man eine landwirtschaftliche Abteilung an der Technischen Hochschule,
die Tierärztliche Hochschule in München, die K. Akademie für Landwirtschaft
x) Die König-Lndwig-Zentenarfeier (zur Erinnerung an die Geburt Ludwigs I.)
hätte schon 1886 stattfinden sollen, wurde aber wegen der traurigen Ereignisse des
Sommers 1886 verschoben.
2) Es folgten als Ministerpräsidenten (1890) Graf v. Crailsheim, (1903) Graf
ü. Podewils und (1912) Graf v. Hertling.