Full text: Geschichtliches Lesebuch

XII. Maurenbrecher, Deutschland von 1850 bis 1856. 185 
deutscher Politiker Beifall zollten. Man schimpfte maßlos auf Preußen, 
daß es die europäische Ehre preisgegeben habe; man ereiferte sicf) 
über seine Liebesdienste für Rußland, sein undeutsches Benehmen; und 
alles das nur, weil Preußen nicht blind in diesen Krieg ziehen wollte 
zu Gunsten der Engländer, um diesen die Last des Krieges abzu¬ 
nehmen oder zu erleichtern. 
Die englische Rache dafür war, daß man Preußen 1855 zu den 
europäischen Verhandlungen gar nicht mehr zuziehen wollte, weil es 
durch sein Stillsitzen seine Großmachtstellung verwirkt hätte. 
Im Sommer 1855 begann auch Österreich vom Kriege sich weiter 
zurückzuziehen; es lenkte Rußland gegenüber ein, es verminderte seine 
Rüstungen; immerhin legte es Wert darauf, sich von dem Deutschen 
Bunde seine Stellung decken zu lassen. Preußen war mit solchen 
rein platonischen Erklärungen einverstanden. Nach dem Fall von 
Sebastopol (10. September) war der militärischen Ehre allseitig genug 
gethan, und die Friedensverhandluugeu kamen in Zug. Entscheidend 
war, daß sich Kaiser Napoleon jetzt auf Rußlands Seite neigte und 
seine Zukunftspolitik auf ein russisch-französisches Bündnis anlegte, 
welches gegen Österreich gerichtet wäre. 
Im Jahre 1856 nahm an dem Pariser Kongreß Preußen zuerst 
gar nicht teil; es sollte dies eine Demütigung für Preußen sein. 
Erst nachträglich wurde (10. März 1856) es aus Napoleons Wunsch 
doch eingeladen; da man den Vertrag von 1841 bezüglich der Darda¬ 
nellen abändern wollte, mußte es herbeigeholt werden, und so kam der 
Minister von Manteuffel Mitte März nach Paris 
In Berlin war man über den durch die Exklusion Preußen zu¬ 
gefügten Schimpf ärgerlich erregt gewesen, welcher von den Engländern 
— nach dem unverdächtigen Zeugnis des Herzogs Ernst — beab¬ 
sichtigt war. Bismarck aber war über den Vorgang fehr vergnügt; 
er fagte, die Arbeit des Pariser Kongresses wäre so schlecht, daß 
Preußen sich freuen sollte dabei gar nicht mitgethan zu haben. Er 
redete damals der Politik das Wort, daß Preußen sich auf feine 
eignen Interessen zurückziehe, ein Freund derer, die ihm Vorteile 
brächten, ein Gegner der Macht, die auf der Seite feiner Gegner 
stände. 
Die preußische Politik während des Krimkrieges ist durch die 
späteren Erfahrungen als eine fehr richtige erwiesen und bestätigt 
worden. Aber sie hat damals dem Könige von Preußen eine Menge 
von Kränkungen und Demütigungen eingebracht. Die Neutralität
	        
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