188 XIII. Denkschrift Bismarcks vom März 1858.
hier zusammentretenden Regierungen ziemlich selbständig ernennen
und suchte dazu solche Männer aus, welche durch ihre Personalver¬
hältnisse und ihre Vergangenheit an das österreichische Interesse ge¬
kettet waren. Österreich durfte der Majorität in der Bundesversamm¬
lung auf längere Zeit hinaus sicher sein. Die Erinnerung an die
Erlebnisse von 1848 bis 1850 hatten der Besorgnis vor preußischer
Oberherrschaft, welche an und für sich in der geographischen Lage
der meisten Bundesstaaten im Verhältnis zu Preußen begründet ist,
frische Nahrung gegeben, und die Eifersucht, mit welcher das 200jährige
Wachsen des preußischen Königshauses einen großen Teil der anderen
deutschen Fürsten erfüllt, wirkt bei diesen in derselben Richtung, wie
die Furcht vor Preußens Machtvergrößernngen auf ihre Kosten. Zur
Erhaltung und Förderung dieser Stimmuugeu hat Österreich mannig¬
fache, nur ihm zu Gebote stehende Mittel.
In erster Linie stehen dabei die Personalbeziehungen, in welchen
sich die Mehrzahl der politisch hervorragenden und einflußreichen Leute
in Süd- und zum Teil auch in Norddeutschlaud befinden.
Schon aus althergebrachter Gewohnheit geht der Adel der süd-
und mitteldeutschen Staaten in österreichische Dienste; die Kleinheit
seiner heimischen Verhältnisse bietet nur zu beschränkter Laufbahn
Aussicht, und die in Österreich zu einem mäßigen Fortkommen er¬
forderlichen Anstrengungen und Kenntnisse beschränken sich auf ein
geringeres Maß, als in den übrigen Bundesstaaten. Diesen Disposi¬
tionen kommt Österreich bereitwillig entgegen. Sobald Angehörige
eines einflußreichen Beamten, eines Ministers oder Gesandten, in dem
Alter sind, daß über die Wahl ihrer Laufbahn entschieden werden
kann, finden sie sich von österreichischen Werbern mit glänzenden Ver¬
sprechungen umgeben, und es kommt vor, daß 16jährige junge Leute,
welche niemals ein Regiment gesehen haben, Offizierspatente zugestellt
erhalten, ohne daß noch darum gebeten worden ist.
Einmal in Österreich angestellt, dienen dieselben als Geißel für
die Ergebenheit ihrer Väter und demnächst zur Unterhaltung der
Beziehungen Österreichs zu ihren, in Deutschland bei den Höfen und
im Staatsdienst angestellten Verwandten. . . .
Wo Beziehungen der Art fehlen, setzt Österreich Mittel in Be¬
wegung, um sie zu schaffe». Es belohnt seine Freunde mit derselben
energischen Konsequenz, mit welcher es denen, die ihm Widerstand
leisten, zu schaden und sie zu beseitigen sucht.
Schon der Umstand, daß ein Gesandter sich dazu hergiebt, Auf-