Rastlose Arbeit ist das Lebensprinzip, von dem die Entstehung und
die Zukunft dieser Stadt abhängt. Manche Fremden, die Unter den
Linden schlendern, die Wachtparade und das Zeughaus begaffen oder
in Schlössern, Museen, Theatern den Kampf mit ihrer eigenen Lange¬
weile führen, gehen weit irre, wenn sie Berlin als ein Schaustück staat¬
licher Zentralisation und des bunt aufgeputzten, willenlosen Militaris¬
mus betrachten. Sie gewinnen keine Vorstellung von der freien Energie
der Arbeit, die in den breiten Schichten des Berliner Volkes pulsiert
und in ihren Blutkreislauf beständig neue, aus allen Teilen des Reiches
hinzuströmende Elemente hineinzieht. Berlin ist die größte Industrie¬
stadt Mitteleuropas. Die Anfänge seiner industriellen Regsamkeit gehen
bis in die Zeit zurück, als der Große Kurfürst die französischen Ro-
1'u§i68 hier ansiedelte, die ein wertvolles Pfropfreis westlicher Kultur
auf dem kräftigen märkischen Stamme bildeten. Aber den großen Auf¬
schwung brachte doch erst die neueste Zeit. Von den Erwerbtätigen
Berlins sind 53 Prozent in der Industrie, 24 Prozent in Handel und
Verkehr beschäftigt. Und zwar fallen von der Gesamtzahl der industriell
Tätigen 31 Prozent auf die Bekleidungsgewerbe, in denen Berlin all¬
mählich eine von der Pariser Führung unabhängige Stellung sich er¬
warb; 12 Prozent kommen auf Maschinenfabrikation, die nicht nur
alle Zweige des praktischen Lebens versorgt, sondern auch in der Her¬
stellung wissenschaftlicher Präzisionsinstrumente sich einen Weltruf er¬
warb. In allen Stoffen, Eisen, Bronze, Leder, Holz, Papier, hat die
Berliner Industrie einen hohen Rang erreicht und namentlich durch
die Ökonomie und Intensität der Arbeit und die daraus entspringende
Größe der Produktion eine Billigkeit der Erzeugnisse erzielt, die jedem
Wettbewerb die Spitze bietet.
Eine wesentliche Hilfe aber für den wirtschaftlichen Kampf gewinnt
Berlin auch aus dem regen wissenschaftlichen Leben, das manchen Zweigen
der Industrie erfinderisch neue Wege eröffnet, anderen reiche Beschäfti¬
gung sichert. Die technische Hochschule zu Charlottenburg ist ein glänzen¬
des Beispiel der wirtschaftlichen Schöpferkraft geistiger Arbeit. Aber
wer tiefer in die Entwicklung der Völker und das Schmieden ihrer
eigenen Geschicke zu blicken gewohnt ist, wird auch der Berliner Uni¬
versität nicht vergessen. Wie herrlich hat sie den Gedanken erfüllt,
den der König zur Zeit der tiefsten Demütigung Preußens bei der
Gründung dieser Hochschule (1810) aussprach, der Staat müsse durch
Anspannung der geistigen Kräfte ersehen, was er an materieller Macht