Full text: Abriss der Geschichte für höhere Knaben- und Mädchenschulen

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bald nach seinem Regierungsantritte persönliche Beziehungen anknüpfte. 
So lange Maria Theresia lebte, war Oesterreich für seine Reformideen 
verschlossen, das übrige Deutschland theils zu selbständig theils un¬ 
empfänglich. Demnach richtete er seine Aufmerksamkeit zuerst auf Mehrung 
der österreichischen Hausmacht. Bei der ersten Theilung Polens fiel ihm 
Galizien zu; doch das war slavisches Land, welches erst der Cultur ge¬ 
wonnen werden mußte. Eine wichtigere Erwerbung dünkte ihm Baiern 
zu sein, dessen Fürstenhaus 1777 erlosch. Mit dem berechtigten Erben 
Karl Theodor von Pfalz-Sulzbach, der Jülich-Berg besaß und kinderlos 
war, wurde er leicht handelseins, auch die übrigen Mächte ließen sich 
für seinen Plan gewinnen, sogar der Herzog von Würtemberg war nahe 
daran für Modena sein Land zu vertauschen, so daß dann Oesterreich 
fast das ganze südliche Deutschland in Besitz gehabt hätte. Da trat 
Friedrich II. hindernd in den Weg und begann durch feinen Einmarsch 
in Böhmen den bairischen Erbfolgekrieg (1778). Nach einigen un¬ 
bedeutenden Gefechten kam der Friede zu Teschen (1779) zn Stande, 
in welchem das Jnnviertel an Oesterreich fiel und Karl Theodor ge¬ 
zwungen das Kurfürstentum Baiern annahm. 
Im Jahre daraus starb Maria Theresia, und nun begann 
Joseph, als wenn er die kurze Dauer seiner Regierung geahnt 
hätte, mit unüberlegter Hast am Alten zu rütteln und Ver¬ 
besserungen einzuführen, die nicht einmal von denen, welchen sie 
zu gute kamen, gewürdigt wurden. Er wollte seinen besonnenen 
Meister Friedrich in jedem Stücke überbieten, versuchte sogar die 
Aufhebung der Todesstrafe, erklärte allen Standesvorrechten den 
Krieg, stellte in seinen fast durchgängig katholischen Erblanden 
den Katholizismus den übrigen Konfessionen gleich, hob mehr als 
die Hälfte der Klöster auf, deren Vermögen den Zwecken der 
Volksbildung diente, und achtete den Widerspruch des Papstes für 
nichts. Dabei gab er seine Absichten aus Baiern zum Nachtheil 
der Zweibrücker Linie nicht auf, so daß Friedrich II. abermals 
sich zur Abwehr gezwungen sah, diesmal nicht durch Waffengewalt 
sondern durch Stiftung des Fürstenbundes. 
Mitten unter großen Plänen, gekränkt durch den Widerspruch 
seiner Völker, gehemmt durch eine Revolution in den österreichischen 
Niederlanden, bedroht durch einen ungarischen Aufstand riß ihn 
während eines unglücklichen Türkenkrieges der Tod hinweg (1790), 
aber die Saat, die er gepflanzt hatte, konnte nicht ganz erstickt 
werden, und die josephinische Regierung ist für sein Land immerhin
	        
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