Full text: Bilder aus der vaterländischen Geschichte für hessische Schulen

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getrieben. Aus Verzweiflung machte er einen Versuch, sich zu ent¬ 
leiben. 
Seit dem 5. Januar richteten die deutschen Batterien ihr Feuer 
auf die Forts von Paris. Etwa 2—300 Granaten fielen täglich 
auf die Stadt und verursachten Furcht und Schrecken. Aber auch 
das furchtbare Gespenst des Hungers begann zu drohen, und so 
sahen sich die Machthaber gezwungen, Friedensverhandlungen einzu¬ 
leiten. Schon am 20. Januar versammelte Jules Favre (Schüll 
Fawer) die Bürgermeister von Paris und legte ihnen vor, daß die 
Lebensmittel nur noch bis 1. Februar reichten, daß man sich zur 
Uebergabe entschließen muffe. Am 23. Januar erschien er in Ver¬ 
sailles, um zu unterhandeln. Die Forts mit allem Kriegsmaterial 
mußten übergeben werden, die Armee von Paris, 450,000 Mann, 
wurde kriegsgefangen, und Paris zahlte 200 Millionen Frank. 
132 Tage hatte die Riesenstadt der Belagerung widerstanden. Die 
Friedensunterhandlungen wurden am 1. März von der Nationalver¬ 
sammlung zu Bordeaux (Bordoh) genehmigt; doch verzögerte sich der 
Abschluß des Friedens (zu Frankfurt a. M.) bis zum 10. Mai 1871, 
weil die Franzosen in wütendem Kampfe in den Straßen zu Paris 
sich selbst zerfleischten, und eine Rotte Verworfener die Paläste in 
Brand steckte, die die deutschen Geschütze verschont (Commune). Frank¬ 
reich mußte 5 Milliarden Frank Kriegsentschädigung zahlen, das früher 
geraubte Elsaß außer Belfort, sowie einen Teil von Lothringen an 
das deutsche Reich zurück geben. 
Herstellung des deutschen Kaisertums. 
(18. Januar 1871.) 
Glorreich hatten die Deutschen die furchtbaren Kriege zu Ende 
geführt. 
Die Schmach, die Deutschland während dreier Jahrhunderte von 
den Franzosen erduldet, war endlich gesühnt, und die Verluste, die 
es an Land erlitten, waren wieder eingebracht worden. Zwar be¬ 
trauerte und beweinte das Vaterland mehr als 40,000 seiner tapfren 
Söhne, aber ein großes, ein herrliches Werk war vollendet, die heiß 
ersehnte Einigung Deutschlands. Als der König Wilhelm noch in 
dem Herrscherpalaste der Bourbonen zu Versailles wohnte, richtete 
der König Ludwig II. von Bayern (4. Dezember) an die deutschen 
Fürsten und die Senate der drei freien Städte den Vorschlag, daß 
der König von Preußen das Recht als Präsident des Bundes, der 
bald alle deutschen Staaten umfassen werde, mit dem Titel eines 
„deutschen Kaisers" ausüben möge. König Wilhelm erfüllte den 
Wunsch der Fürsten, und am 18. Januar 1871 erfolgte zu
	        
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