232 Ludwig XIV. Innere Zustände Frankreichs.
der xSflQb war fein Pferd mit den Vorderfüßen nuggeglitteit;
mit Anstrengung hatte er es wieder zum Stehen gebracht, dabei
aber hatte ihm der Sattelknopf die Brust verletzt. Bald war er
rettungslos krank, — und der Tod erfolgte unter denselben An¬
zeichen , wie^ bei feinem Bruder uud feiner Schwägerin. Nur
e i n rechtmäßiger Erbe blieb für den französischen Königsthron
ubrtg, Ludwig, der jüngste Sohn des Herzogs von Bourgogue,
beim Tode des Vaters ein Kiud von zwei Jahren. Das Ent¬
setzlichste war, daß man bei allen diesen Todesfällen von Ver¬
giftung sprach. Der Herzog Philipp II. von Orleans *) hatte
m der letzten Zeit in _ gänzlicher Entfernung vom Hose gelebt,
wo man ihn wegen seiner Sinnlosigkeit und Freigeifterei eben
so sehr verachtete, wie man ihn seiner Fähigkeiten wegen fürchtete.
Er hatte seitdem feine Zeit zwischen Ausschweifungen und der Be¬
schäftigung mit Musik, Malerei, Kupferftecherei und Chemie geteilt.
Das letztere gab der Maintenon2) und ihrem Anhang Anlaß,
ihn selbst als Giftmischer und als Urheber jener Todesfälle zu
bezeichnen, durch die er die Aussicht aus die Regentschaft bekam.
Das Volk glaubte dem geflissentlich verbreiteten Gerüchte und
bedrohte selbst das Leben des angeblichen Mörders; nur der Kö¬
nig teilte den allgemeinen Argwohn nicht, und als ihn der Her¬
zog, der zu Ansang mit gleichgültigem Stumpfsinn die Sache gar
nicht beachtet hatte, endlich um strenge Untersuchung bat, verwei¬
gerte er dieselbe als unwürdig, teils wohl, weil er von dem
Ungrunde der Beschuldigung überzeugt war, teils, weil in jedem
Falle der Prozeß dem königlichen Hanfe zum Schimpf gereicht
haben würde.
So stand der alte König am Schlüsse seines Lebens völlig
verinsann da. Sein Hans war verödet wie sein Land. Die
Maintenon bot alles auf, um ihn zu zerstreuen. Im Sommer
1715 nahmen indes seine Kräfte sichtlich ab. Gefaßt hörte er
es, als ihm fein Arzt sagte, er habe nur noch wenige Tage zu
leben. _ Am 25. August empfing er die letzte Ölung. Den Tag
darauf ließ er den Thronfolger und feine natürlichen Söhne vor
sich kommen und ermahnte den Dauphin zur Gottesfurcht, zur
Sparsamkeit, zum Frieden und zu allem Guten, was er selbst
1) Orleans seit 1343 eine Nebenlinie des königlichen Geschlechts'
-Sie jetzige Linie der Orleans stammt von einem jüngeren Bruder Lud
wigs XIV. Philipp I. Philipp II. war ein Sohn Philipps I. von Or¬
leans und der Charlotte Elisabeth von der Pfalz.
2) Maintenon (Mängtnong), die Wittwe des Dichters Scarron,
wurde Erzieherin der königlichen Kinder und 1685 in morganatischer
Ehe die Gemahlin Ludwigs XIV.