oo Die Humanisten. Reuchlin.
der Lehre Luther's von der Unfreiheit des menschlichen Willens
auf den Kampfplatz.
Johann Reuchlin (geb. 1455 zu Pforzheim, gest. 1522),
der auf_ der Universität zu Paris griechische Sprache und Litte¬
ratur, später zu Orleans und Poitiers Jurisprudenz und zuletzt
in Rom die hebräische Sprache und Litteratur studiert hatte, übte
durch Wort und Schrift den größten Einfluß auf die deutsche
Gelehrtenwelt aus und war einer der Ersten, welche der griechi¬
schen Litteratur eine feste Stelle in dem höheren Bildungswesen
verschafften. Noch bedeutender war seine Wirksamkeit auf dem
Gebiete der hebräischen Sprache, für welche er zuerst ein voll¬
ständiges Lehrgebäude schuf. Die öffentliche Aufmerksamkeit hatte
sich damals in besonders hohem Grade den Inden zugewandt,
und unter den gegen ihre Anmaßungen treffenden Maßregeln
war auch die Vernichtung ihrer dem Christentum feindlichen
Bücher, namentlich des Talmud, in Vorschlag gebracht worden.
Ganz besonders eiferte für diese Maßregel der getaufte Jude
Pfefferkorn aus Köln, der im Jahre 1509 von Kaiser
Maximilian einen Befehl erwirkte, kraft dessen die Inden zur
Auslieferung ihrer Bücher angehalten, diese von gelehrten
Männern untersucht und die für schädlich befundenen verbrannt
werden sollten. Reuchlin, der als der hervorragendste Kenner
der hebräischen Litteratur zu einem Gutachten über die bereits
weggenommenen Bücher aufgefordert worden, nahm sich derselben
an, da die bar in enthaltene Geheimlehre seinem zu geheimnis¬
vollem Grübeln geeigneten Geiste zusagte, und geriet dadurch mir
den Kölner Dominikanern in einen Streit, in welchem auch die
Theologen der Universitäten von Paris und Löwen gegen ihn
Partei ergriffen, während der Bischof von Speier als päpstlicher
Kommissar sich zn Gunsten Reuchliu's aussprach. Die ganze
„Bücherfrage" gelangte zu feiner endgiltigen Entscheidung; doch
knüpfte sich an dieselbe ein ungleich folgenschwerer Streit zwischen
den Theologen und den Humanisten, in welchem die letzteren die
Niederlage der Dominikaner zur Verbreitung einer Masse hämi¬
scher Schriften gegen ihre Widersacher ausbeuteten. Am weitesten
ging in dieser Beziehung Ulrich von Hutten, der aus dem Boden
des Streites über die Frage, ob die klassische (heidnische) Litte¬
ratur der Alten den christlichen Glauben gefährde oder nicht, die
Fahne der Empörung gegen die unbestreitbare Herrschaft der
Kirche aufpflanzte.
Ulrich von Hutten, der talentvollste, aber auch zu¬
gleich der leidenschaftlichste und sittenloseste unter den glaubens-
feindlichen Humanisten, war als Sprößling eines alten, aber