^0 M. Luther. Staupitz.
beiden Orten war er, da sein Vater für 8 Kinder zu sorgen
hatte, auf die Unterstützung wohlthätiger Leute angewiesen und
erwarb sich nach damaliger Sitte seinen Unterhalt durch Singen
an den Thüren wohlhabender Leute, bis ihn in letzterer Stadt
eine adelige Dame, Frau Cotta, in ihr Haus aufnahm. Von
dort bezog er in seinem 18. Jahre die Universität Erfurt (1501).
Hier studierte er die alten Sprachen und Philosophie, welche der
Umverfitätsprofeffor Jodocus mit vielem Beifall lehrte, und er¬
hielt nach 2 Jahren die Würde eines Baccalanreus, und nach
weiteren zwei Jahren die eines Magisters, womit das Recht zu
Vorlesungen verbunden war. Auf den Wunsch feines Vaters
begann er_ jetzt_ die Rechtswissenschaft zu studieren, welche ihn
jedoch wenig ansprach. Da er nun nicht wußte, welchen Beruf
er ergreifen sollte, so bemächtigte sich seiner neben der ausge¬
lassensten Fröhlichkeit eine ernste Stimmung, welche bisweilen in
Trübsinn und Schwermut überging. Er fühlte sich von Ge¬
wissensängsten beschwert, zu welchen noch körperliche Leiden
sich gesellten. Luther saud kein Vergnügen an der Rechtswissen¬
schaft und trug sich mit dem Gedanken, Mönch zu werden In
diesem Entschlüsse wurde er durch den plötzlichen Tod eines
Freundes und ein furchtbares Gewitter, düs ihn in die größte
Lebensgefahr brachte, noch bestärkt. Er gelobte der heiligen
Anna, ins Kloster zu gehen und trat auch trotz der Abneigung
feines Vaters gegen das Klosterleben am 17. Juli 1505 in das
Augustiuerktofter zu Erfurt ein1). Dort mußte er im Anfange
feines Prüfungsjahres nach der bestehenden Klostersitte sich lästi¬
gen Hausarbeiten unterziehen, von denen er jedoch als Magister
bald von dem Ordeusproviuzial JohannStaupitz dispensiert
wurde. Der junge Mönch unterzog sich den strengsten asceti-
schen Vorschriften und Übungen, um die Ruhe seiner Seele zu
gewinnen. Denn oft war er nahe daran, an Gott zu verzwei¬
feln, weil er, wie er^ selbst gestand, hauptsächlich die Regungen
oes Zornes, des Hasses und Neides nicht zu überwinden ver¬
mochte. Wohl kannte er die Lehre von der Gnade, allein es
fehlte ihm, wie er sagte, an der Liebe Gottes. Das
Gebet konnte ihm nicht helfen, weil er in dem Wahne
befangen war, man müsse, um zu Gott zu beten und von ihm
erhört zu werden, ganz rein und ohne Sünde, wie die Heiligen
des Himmels fein.
1) Er selbst sagte: „ich ward ja nicht gern oder willig ein Mönch,
viel weniger um Mästung des Bauches willen; sondern als ich mit
Schrecken und Angst des Todes eilend umgeben, gelobte ich ein ge¬
zwungen und gedrungen Gelübde."