Full text: Die Neuzeit (Band 3)

4b Brandschriften Luthers gegen die kath. Kirche. 
berwillen gegen Rom, ging Luther in seiner Opposition gegen 
bie Kirche immer weiter, bis er znletzt ben offenen Bruch mit 
berselben volleubete. Den Ansang machte er, ungeachtet er noch 
am 15. Januar 1520 in einem Schreiben an ben neuen Kaiser 
Karl V. erklärt hatte, er wolle als ein treuer unb gehorsamer 
Sohn ber katholischen Kirche sterben, unb sich bas Urteil aller 
nicht üerbächtigen Universitäten gefallen lassen, mit ber Schrift 
„von ber christlichen Freiheit." Dann verfaßte er die Schrift: „An 
ben teutschen Abel von bes christlichen Staubes Besserung," ttttb 
das Buch von ber „Babylonischen Gefangenschaft ber Kirche." 
Diese beiden letzten Schriften enthalten eine so vollständige Los- 
sagung von der Kirche unb ihrer Lehre und Verfassung, daß 
Luther später zu diesem das Wesentliche des ganzen Gegensatzes 
und Widerspruchs des Protestautismus gegen den Katholicismus 
umfassenden kirchlichen Lehrgebäudes nicht mehr viel beizufügen 
brauchte. 
In der ersten Schrift zog er gegen das Priestertum und 
die Hierarchie los, indem er das Priestertum nur als eine auf 
dem von der Gemeinde erteilten Aufträge beruhende widerruf: 
siche Amtsführung hinstellt. „Durch bie Taufe," sagt er, „find 
alle zu Priestern geweiht, obwohl nicht einem jeglichen ziemt, 
solch Amt auszuüben. Was gemein (gemeinschaftlich) ist, darf 
niemand ohne ber Gemeine Willen unb Befehl an sich nehmen. 
Mißbraucht einer fein Amt, unb wirb desselben entsetzt, so ist er 
gleich wie vorhin; der untilgbare Prieftercharafter ist nur ein 
Gedicht." — Dem Papste bestreitet er das ausschließliche Recht 
der Schriftauslegung, das Berufen der Kirchenverfammlung und 
den weltlichen Besitz. Er verlangt Unabhängigkeit der Kirche, 
Aufhebung der Klöster, Beseitigung bes geistlichen Rechts, Auf¬ 
hebung bes Cölibats, mit einem Wort Losreißung Deutschlanbs 
vom apostolischen Stuhle. — In ber zweiten, in gleichem Sinn 
unb Ton abgefaßten Schrift bekämpft Luther insbesondere bie 
Lehre von ben sieben Sakramenten, von beneit er nur zwei — 
Taufe (Buße) und Abenbmahl — gelten lassen will, unb ver¬ 
langt, baß nach Christi Einsetzung ber Kelch auch ben Laien 
bargereicht werbe. Endlich verwirft er darin, wie auch in feiner 
Predigt von der Messe, den Mittelpunkt des ganzen Gottes¬ 
dienstes — das euchartstifche Opfer, welches so wenig ein gutes 
Werk, als ein Opfer fei, und auch nicht fein könne, was natür¬ 
lich, wie er selbst zugießt, „der Kirche ganze Gestatt wegthun 
und verändern müsse." — Beide Schriften find mit tief durch¬ 
dachtem Plan und mit kluger Berechnung auf bie Geneigtheit 
bes Abels, sowie ber stäbtifchen Gewalten verfaßt. Denn biefen
	        
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