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zurückgekehrt, ließ er sogleich in einer Druckschrift die Gründe
bekannt machen , welche ihn zu diesem Schritte bewogen hätten:
»Ich, Martinus Luther, Doktor der heiligen Schrift, Augustiner
zu Wittenberg, füge männiglich zn wissen, daß durch meinen
Willen, Rat und Zuthat, auf Montag nach St. Nieolai (10. De-
zember) im I520sten Jahre verbrannt sind die Bücher des Pap¬
stes von Rom und etlicher feiner Jünger." Damit hatte Lnther
aufgehört, ein Glied der katholischen Kirche zu sein.
5. Zwingli und Calvin.
,Fast zu gleicher Zeit mit Luther stand auch in der Schweiz
Ulrich Zwingli, Pfarrer in Zürich, ein frivoler, ungläubiger
und durch seinen Lebenswandel Ärgernis gebender Mann, als
sogenannter Reformator auf, welcher in der Folge der Stifter
der sogenannten reformierten Kirche wurde. Er begann
im Jahre 1519 zuerst wider die Mißbrauche des Ablasses zu
predigen und griff dann eine Lehre der katholischen Kirche nach
der andern an. In den meisten Punkten war er mit Luther
einverstanden; beide erklärten die heilige Schrift für die einzige
Quelle des Glaubens, die für jeden klar sei. Diese Klarheit
konnte jedoch nicht hindern, daß Luther und Zwingli aus den
einfachen Worten Christi beim letzten Abendmahl: „Das ist
mein Leib!" eine ganz verschiedene Anficht vom heiligen
Abendmahle sich bildeten. Luther behauptete die wirkliche Gegen¬
wart Christi im Brode. Zwingli dagegen leugnete diese und
wollte das Brod nur als bildliches Zeichen zur Erinnerung au
den Tod Christi gelten lassen. Hierüber entspann sich ein' wü¬
tender Streit zwischen den beiden Reformatoren und ihren An¬
hängern, und beide Parteien trennten sich völlig.
Den von Zwingli angebahnten Weg verfolgte Calvin, geb.
1509 zu Noyou in Frankreich. Seine Jugendzeit verlebte er in
feinem Vaterlande, wo er abwechselnd der Theologie und der
Rechtswissenschaft oblag. Mancherlei Verbindungen, die er dort
mit den Freunden der deutschen Reformation anknüpfte, entschie¬
den seine Glaubensrichtung. Sobald er aber mit dieser hervor¬
trat , mußte er das Land verlassen. Er begab sich nach der
Schweiz und machte zuletzt Gens zum Mittelpunkte seiner Be¬
strebungen. Als Prediger und Lehrer der Theologie gründete
er hier ein neues Lehrgebäude, welches in mehreren Punkten
von dem System Luthers sowohl als auch Zwinglis abwich.
Je höher sein Ansehen stieg, desto gröber wurde auch feine Un¬
duldsamkeit gegen alle, die sich nicht zu seiner Lehre bekennen