Die Kreuzzüge.
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asiatisches Nomadenvolk, entweihten die heiligen Örter und mißhandelten
die Christen. Schon Gregor VH. wollte ein Heer zur Wiedereroberung
des heiligen Landes aussenden; aber seine Kämpfe mit Heinrich IV.
verhinderten ihn daran. Einem schlichten Einsiedler gebührt der Ruhm,
das ganze Abendland zu diesem Zwecke unter die Waffen gerufen zu
haben.
b. Peter von Amiens. Das war Peter von Amiens (spr.
Amjäng). Er war zu Amiens in der Picardie geboren; zuerst war er
Soldat, nachher Einsiedler und gelangte bald durch seine große Enthalt¬
samkeit in den Ruf besonderer Heiligkeit. Auch er machte eine Wall¬
fahrt ins gelobte Land und sah die Greuel an den heiligen Stätten,
ließ sich die Marter erzählen, welche die Glaubensbrüder von den Türken
erdulden mußten, und faßte den Entschluß, das Abendland zum Kampfe
gegen die Ungläubigen aufzurufen. Wie er nachher vorgab, bestärkte ihn
der Heiland selber in diesem Gedanken mit den Worten: „Eile, Peter,
dein Vorhaben auszuführen. Verkünde die Leiden meines Volkes, daß
ihm geholfen und die heilige Stadt von den Ungläubigen befreit werde!"
Er kam nach Rom. Papst Urban II. nahm ihn freudig auf, gab
ihm Empfehlungsbriefe an die Großen Frankreichs und beauftragte ihn,
predigend Stadt und Land zu durchziehen, um die Gemüter für dieses
große Unternehmen vorzubereiten.
In eine Mönchskutte gekleidet, die durch ein Seil zusammengehalten wurde,
barfuß, ein Kruzifix in der Hand haltend, ritt er auf einem Esel durch Italien und
Frankreich, redete bald vor den Großen, bald vor dem Volke, und sein flammendes
Auge, sein mageres, von vielen Entbehrungen durchfurchtes Gesicht gaben seinen
Worten Nachdruck. Er erzählte von den Leiden der Christen im heiligen Lande, von
seiner himmlischen Erscheinung, las ihnen Briefe des Patriarchen zu Jerusalem vor
und gewann so alle Herzen für den gottgefälligen Zug. Wie einen Heiligen verehrte
ihn das Volk: glücklich schätzte sich derjenige, der nur seine Kleider berühren durfte;
die seinem grauen Esel ausgerupften Haare wurden als Reliquien gesammelt und
verkauft.
e. Die Versammlungen zu Piacenza und Clermont. Gleich¬
zeitig kam auch eine Gesandtschaft des griechischen Kaisers Alexius,
die um schleunige Hülfe aller christlichen Völker gegen die Ungläubigen
bat. Da berief der Papst Urban II. im März 1095 eine Kirchenver¬
sammlung nach Piacenza (spr. Pjatschensa) am Po, die so reichlich
besucht war, daß die Stadt die Besucher nicht zu fassen vermochte. Eine
zweite Versammlung zu Clermont (spr. Klärmong) im südlichen Frank¬
reich, im November desselben Jahres, war noch besser besucht; allein
14 Erzbischöfe, 225 Bischöfe, 400 Äbte und eine große Menge Fürsten
und Ritter waren erschienen. Zuerst erklärten sich die Geistlichen zum
Zuge bereit, ihnen folgten viele Laien. Alle hefteten ein rotes Kreuz
auf die rechte Schulter, daher hießen sie Kreuzfahrer und der Zug
Kreuzzug.
Alle umliegenden Städte und Dörfer waren mit Menschen angefüllt, und viele
mußten noch trotz der Kälte unter freiem Himmel übernachten. Zuerst trat Peter auf
und schilderte in feuriger Rede die Not der christlichen Brüder in Palästina; als da¬
durch die Herzen wunderbar ergriffen waren, erhob sich der Papst selbst und forderte
mit hinreißender Beredsamkeit, die viele zu Thränen rührte, zum Kampfe für die
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