118 Deutschland. Revolution in Preußen.
regung der unteren Stände wuchs aber, als sie sahen, wie selbst
ehrwürdige Männer und ganze Körperschaften gegen die Regie¬
rung Front machten. Denn auf die Nachrichten von der Pariser
Revolution, von dem Aufschwünge, den sofort im südlichen
^Deutschland die Volkspartei genommen, beeilten sich die Behörden
großer Provinzialstädte Adressen an den König zu entwerfen und
ordneten Deputationen an ihn ab , welche die „Forderungen des
Volkes" vortrugen. Die Berliner Stadtverordneten eröffneten
am 13. März diesen Reigen.
Es schien, als habe die Regierung ganz den Kops verloren;
die Polizei von Berlin ließ nicht nur zu, daß eine Anzahl jun¬
ger Männer, denen sich Leute aus allen Ständen beigesellten, in
den „Zelten" (einem Vergnügungsorte im Thiergarten) Ver¬
sammlungen abhielten, um mit aufregenden Reden drohende
Adreßentwürfe zu beraten (ant 6., 7. und 9. März); sondern sah
auch ruhig mit an, wie deutsche Flüchtlinge, Deutschsrauzosen und
Polen, int Wühlen und Barrikadenbau geübt, Abgesandte jener
großen Umsturzpartei, deren Hauptsitz und Asyl Paris war,
nach Berlin kamen und den radikalen Wühlern hier ihre prak¬
tische Erfahrung liehen, wie allerlei verdächtiges Gesindel, Un¬
ordnung witternd, aus den Vororten hereinzog, wie in allen
Kellern und Kneipen bie Hefe des Volkes aufgewiegelt wurde
und schon hie und da einzelne blutige Konflikte zwischen dem
Pöbel und den Wächtern des Gesetzes zu stände kamen.
Indes alles dies war nur das Vorspiel; mit den Strol¬
chen allein konnte den Wühlern nicht gedient sein. Sie mußten
die Massen des Berliner Volkes, den ehrsamen Arbeiter- und
Handwerkerstand, in ihr Interesse ziehen; sie erreichten dies da¬
durch , daß sie (am 14. März) in vielen tausend Exemplaren
folgende Adresse verteilten und an die Häuser schlugen: „Aller-
durchlauchtigster König! In dieser seit Jahren für uns so schwer
bedrängten Zeit wagen die Arbeiter jedes Standes eine Bitte
an Ew. Majestät zu richten. Die Bitte um schleunige Ab- j
Hilfe der jetzigen großen Not aller Arbeiter und Sicherstellung
ihrer Zukunft. Der Staat blüht und gedeiht nur da, wo das
Volk durch Arbeit feine Lebensbedürfnisse befriedigen und als
fühlender Mensch seine Ansprüche geltend machen kann. Wir
werden nämlich von Kapitalisten und Wucherern unterdrückt; die
jetzt bestehenden Gesetze sind nicht im stände, uns vor ihnen zu
schützen. Wir wagen daher Ew. Majestät unterthänigst vorzu¬
stellen , ein Ministerium für Arbeiter bestellen zu
wollen, das aber nur von Arbeitgebenden und Ar- j
beitem zusammengesetzt werden darf und deren ^