Full text: Die neueste Zeit (Band 4)

Die Straßenkämpfe in Berlin. 
Mitglieder nur aus b er er Mitte selbst gewählt 
werden burfen. Ein solches Ministerium ist nur im staube, 
ben wahren Grund ber brücfenben Lage bes Volkes kennen Zu 
lernen, bas Los ber Arbeiter zu verbessern, ben Staat vor 
brofjenben Gefahren zu schützen, Eigentum unb Leben aller be¬ 
vorstehenden Verwüstungen nicht preisgeben. . . Diese For¬ 
derung fand tausendfachen Widerhall; sie nötigenfalls^ mit (Ge¬ 
walt durchzusetzen , schien kein Unrecht, sondern die Pflicht der 
Selbfterhaltung, der Notwehr; der Arbeiter begeisterte sich für 
die Revolution; er war mit jedem, der zum Kampf für die 
„Freiheit," für ein „einiges Deutschland" rief, bereit, Seite an 
Seite den „Feinden des Volks" die Stirn zu bieten. 
Indessen setzten die Stadtbehörden ihre Bemühungen beim 
Könige fort, wohlmeinende Personen, die dem Hofe nahe_ standen, 
unterstützten sie dabei; dazu kam die Kunde von der Wiener Re¬ 
volution und dem Sturze Metternichs (13. März); kurz 
Friedrich Wilhelm beschloß, die Aufregung _ durch Nachgeben Zu 
beschwichtigen. Er erließ Sonnabend vormittags den ib. März 
ein Patent, durch welches er eine freifinnige Verfassung für 
Preußen unb eine grünbliche Verbesserung bes Bundes für 
Deutschland verhieß. Tiefe erfreulichen Zugeständnisse verkün¬ 
dete er bann auch persönlich vom Balkon bes Schlosses herab 
betn Volke, welches zu Taufenden sich auf bem Platz vor bem 
Schlosse versammelt hatte. Währenb aber noch bas Hurra ber 
befriedigten Zuhörer ihm nachschoß, fielen zur Seite, wo an dem 
einen Schloßportal das Volk dichter au das aufgereihte Militär 
gedrängt war, zwei Schüsse, fei es von einem allzu pflichttreuen 
Offizier, fei es von einem der Volksaufhetzer veranlaßt; sofort 
schrie das Volk: „Wir sind verraten! zu den Waffen!" 
Wie ein Lauffeuer durchflog diese Losung die Stadt; auch Be¬ 
sonnene glaubten an ein Blutbad, das die Soldaten unter ^fried¬ 
lichen Bürgern angerichtet, obwohl in der That von jenen Schüs¬ 
sen niemand war getroffen worden. Die Wühler hatten gewon¬ 
nenes Spiel, ohnehin vermißte der Arbeiter das Zugeständnis 
eines Arbeitsministeriums. In Zeit von zwei Stunden ^ waren 
die Hauptstraßen Berlins mit 200 Barrikaden planmäßig ver¬ 
barrikadiert , Steine auf den Dächern aufgehäuft, an Fenstern 
und Barrikaden Bewaffnete postiert und überall die deutschen 
Fahnen (schwarz-rot-gold) aufgepflanzt. Vergebens kamen Bot¬ 
schaften aus betn Schloß, welche bie Schüsse einem Mißverständ- 
nis zuschrieben. Begeisterte Rebner schürten bie Kampflust; als 
das Militär anrückte, die Straßen zu säubern, stieß es auf 
todesmutige Feinde.
	        
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