1. Kaiser Wilhelm I. 367
das Reich in der Sammlung trojanischer Altertümer, welche der
Mecklenburger Heinrich Schliemann auf eigene Kosten ausgegraben
hatte und dann in hochherziger Weise dem deutschen Vaterlande als Ge¬
schenk darbot (1882).
i) Die wichtigsten Borgänge der preußischen Geschichte während der
Zahre 1871—1888.
7.) Der kirchenpolitische Streit oder der sogen. Kulturkampf. Zwischen
der Staatsgewalt und der katholischen Kirche entbrannte gleich nach Beendigung
des deutsch-französischen Krieges in Preußen und in andern deutschen Staaten
(Bayern, Baden, Hessen) ein heftiger Streit, der auch auf das Reich hinübergrifs
und in ganz Deutschland die Gemüter in große Aufregung versetzte. Ein
Reichsgesetz schloß den Jesuitenorden vom Deutschen Reiche aus (1872), und
in den Einzelstaaten, namentlich in Preußen, wurde eine Reihe von Kirchen¬
gesetzen erlassen. Die Wendung trat ein, als der neu gewählte Papst Leo XIII.
dem Kaiser Wilhelm die Hand zur Versöhnung entgegenstreckte (1878). Es be¬
gannen Unterhandlungen zwischen der preußischen Regierung und dem päpstlichen
Stuhle, die zu einer Verständigung über die wichtigsten Streitpunkte führten.
Auch in Bayern, wo nach Ludwigs II. Tode (1886) der Prinz Luitpold für-
feinen geisteskranken Neffen Otto als Prinzregent die Regierung übernahm, und
in den übrigen deutschen Staaten wurde allmählich ein besseres Verhältnis zwischen
der weltlichen und der geistlichen Macht hergestellt.
ß) Der Ausbau der Verkehrswege. Während der preußische Staat die
Landstraßen (Chausseen) an die Kommunalverbände (Provinzen, Kreise) ab¬
trat, brachte er umgekehrt die meisten Eisenbahnen durch Kauf in seinen Besitz
(S. 363) und mehrte so den alten Grundstock seines Vermögens (Domänen,
Forsten, Bergwerke) um eine ergiebige Einnahmequelle. Beide Arten von Ver¬
kehrswegen erfuhren eine bedeutende Erweiterung. Die preußische Eisenbahn¬
verwaltung bemühte sich besonders, durch Anlage von Nebenbahnen auch die
abseits gelegenen Ortschaften in den allgemeinen Verkehr hineinzuziehen und ihnen
den Absatz ihrer Erzeugnisse zu erleichtern. Ebenso wurden für den Ausbau der
Wasserstraßen große Mittel ausgewandt (Regelung der Stromläufe, Anlage
von Kanülen, insbesondere des auch in wirtschaftlicher Hinsicht wichtigen Nord¬
ostseekanals; vgl. S. 361).
^7) Ter Ausbau der Selbstverwaltung. Das von Stein begonnene und
im Jahre 1823 fortgesetzte Werk wurde unter Beseitigung des Übergewichts der
Großgrundbesitzer vollendet (1872—1883). In allen Landesteilen giebt es jetzt
neben den staatlichen Beamten (Behörden) gewählte Körperschaften: Provinzial¬
landtag, Kreistag, aus Staatsbeamten nnd Laien gemischte Verwaltungs¬
kollegien: Provinzial rat', Bezirksausschuß, Kreisausschuß, und
Selbstverwaltungsbeamte: Landesdirektor, Landesräte u. s. w. — Die
Selbstverwaltung der Provinzen umfaßt u. a. den Unterhalt der Landstraßen, die
Fürsorge für die Irren, Blinden und Taubstummen, die Förderung der -Landes¬
kultur (sogen. Meliorationen), die Pflege der Wissenschaft und Kunst.
1 Der Provinzial ausschuß ist ein Ausschuß des Provinziallandtages.