1. Kaiser Wilhelm I.
369
ihm bis an seinen Tod zur Seite (+ 1890). Sein einziger Sohn, von den
Eltern gewöhnlich Fritz genannt, der Stolz und die Freude des preußischen und
später des ganzen deutschen Volkes, war mit der Prinzessin Viktoria, der
ältesten Tochter der Königin Viktoria von England, vermahlt. Vier Söhne und
vier Töchter entsprossen dieser glücklichen Ehe. Von den Söhnen starben zwei
vor dem Kaiser. Der älteste der beiden, die ihn überlebten, Prinz Wilhelm,
unser' jetziger Kaiser, war der Liebling des Großvaters. Im Jahre 1881 ver¬
mählte sich der Prinz mit ber Prinzessin Augusta Viktoria von Schleswig*
Holstein-Augustenburg. Als der alte Kaiser die Nachricht von der Geburt des
ersten Urenkels, unseres jetzigen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, erhielt, rief er
voll Freude aus: „Hurra, vier Könige!" Des Kaisers einzige Tochter, die
Großherzogin Luise von Baden, hing mit zärtlicher Liebe an ihrem Vater.
Ihr Gemahl, der Großherzog Friedrich, war im Jahre 1870 derjenige unter
den deutschen Fürsten, der mit feinem Schwager, dem Kronprinzen Friedrich
Wilhelm, die Erneuerung der deutschen Kaiserwürde am eifrigsten betrieb.
Vielleicht niemals hat ein Herrscher so viele Beweise der Ver¬
ehrung und Liebe erfahren als Kaiser Wilhelm I. Sie galten nicht
nur dem thatkräftigen Begründer bes Deutschen Reiches und bem mächtigen
Schirmherrn bes europäischen Friedens, fonbern auch bem edelsinnigen
Fürsten, der für bas Wohl unb Wehe seiner Unterthanen ein warmes
Herz hatte. Besonbers großartig waren die Kundgebungen bei dem
siebzigjährigen (1877) unb achtzigjährigen Militärdienst-Jubiläum (1887),
bei ber goldenen Hochzeit (1879) unb vor allem bet bem neunzigsten Ge¬
burtstage (22. März 1887), wo an die hundert Vertreter europäischer
Höfe in Berlin weilten und aus allen Ländern Geschenke und Glückwünsche
einliefen.
Nur wenige Tage bauerte bie Krankheit, welche bas Enbe bes Kaisers
herbeiführte. Am 9. März 1888, morgens um 1/29 Uhr, hauchte er ohne
Tobeskampf feine Seele aus. Er starb als ein überzeugungstreuer
Christ, der den Wahlspruch seines königlichen Bruders (S. 319) zu bem
feinen gemacht unb es als feine Herrscherpflicht bezeichnet hatte, bafür zu
orgen, „baß bem Volke die Religion erhalten werbe". Im Mausoleum
zu Charlottenburg, an ber Seite feinet Eltern, würbe ihm bie letzte
Ruhestätte bereitet.
Die Trauer, welche sich beim Heimgänge bes Kaisers funbgab,
war allgemein. „In allen Teilen Deutfchlanbs," so konnte Kaiser
Friebrich in seinem Dankerlasse sagen, „in ganz Europa, selbst in fernen
Weltteilen, wo nur beutsche Herzen schlagen, ist gewetteifert worden, dem
teuren Entschlafenen die letzten Zeichen der Liebe unb Verehrung dar¬
zubringen."
Mertens, Hilfsbuch d. deutschen Geschichte. III.
25