3. Kaiser Wilhelm II.
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auch Geschichte studierte. Unter besonders bewährter Leitung wurde er
dann in die verschiedenen Zweige der Staatsverwaltung praktisch
eingeführt.
c) Prinz Wilhelm als Vertreter seines Großvaters und seines
Vaters. Schon vor der Thronbesteigung Friedrichs III. nahm der Prinz
Wilhelm thätigen Anteil an den Staatsgeschäften. Wiederholt mußte er
an Stelle des abwesenden kranken Vaters fürden hochbetagten Kaiser
Wilhelm eintreten, bis er schließlich mit der dauernden Vertretung
desselben betraut wurde. Friedrich III. ernannte seinen Sohn zum Stell¬
vertreter bei der Erledigung derjenigen Regierungsgeschäfte, die er ihm
zuweisen würde. So hatte dieser die beste Gelegenheit, sich auf seinen
Herrscherberuf vorzubereiten.
ä) Wilhelms II. Thronbesteigung. Tiefgebeugt von den schweren
Schicksalsschlägen der letzten Zeit, aber mutig und voll Gottvertrauen er¬
griff der jugendliche Kaiser die Zügel der Regierung (15. Juni 1888).
In einer herzlichen Kundgebung an das preußische Volk sagte
er u. a., er habe Gott gelobt, „ein gerechter und milder Fürst zu sein,
Frömmigkeit und Gottesfurcht zu pflegen, den Frieden zu schirmen, die
Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen und Bedrängten ein Helfer,
dem Rechte ein treuer Wächter zu sein".
Bei der Eröffnung des ersten Reichstages im Weißen Saale
des Königlichen Schlosses (25. Juni) erschien der Kaiser von allen deutschen
Fürsten umgeben. Voran schritten Generale, welche das Reichsschwert und
den Reichsapfel, das Scepter, die Krone und das Reichsbanner trugen,
^n der Thronrede betonte Wilhelm II. seinen Entschluß, in den Bahnen
feine» Großvaters weiter zu wandeln, die Gesetzgebung für die ärmern
Klassen auszubauen und den Frieden zu erhalten. „Deutschland be¬
darf weder neuen Kriegsruhms noch irgend welcher Eroberungen."
In der Thronrede vor dem preußischen Landtag (27. Juni)
gelobte er, allen Bekenntnissen seinen Schutz zu gewähren und nach
den Worten Friedrichs des Großen zu handeln, daß der König des
Staates erster Diener ist.
e) ^ie ersten )legiernngssahre Wilhelms II. Besonders bemerkens¬
wert sind: 1. das Alters- und Jnvaliditätsgesetz (vgl. S. 366);
2. diiä Arbeiterschutzgesetz (1891), welches u. a. Bestimmungen über
die Sonntagsruhe sowie über Frauen- und Kinderarbeit enthält; 3. die
Maßregeln zur Sicherung des Friedens: Pflege freundschaftlicher
Beziehungen mit den übrigen Herrschern durch persönlichen Verkehr, Er¬
neuerung des Dreibundes, Verbesserung des Heerwesens und Verstärkung