290 Viertes Buch. I. Abschnitt: Bilder ans der deutschen Reformation.
klassischen Bildung, in der er so früh Ausgezeichnetes leistete, aber das war
auch das einzige, was ihn an die Klostermauern von Fulda knüpfte.
Wenn er freudig dem Waffenhandwerk den Rücken kehrte, so war der
Grund ein strebsamer Thätigkeitstrieb, der unter Reisigen und Hunden, unter
Wegelagerei und Weidwerk kein Genüge fand; weil er handeln wollte, wie
er's aus der Burg seiner Väter nicht konnte, entsagte er der Weise seines
Hauses, darum aber war er nicht gewillt, in einer Mönchszelle sein Leben
zu vertrauern. Er wollte hinaus in die Welt, die Hochschulen besuchen,
wo die neue humanistische Bildung am eifrigsten gepflegt ward, das aber
wollte der Vater nicht. Der war ein Rittersmann vom alten Schlag, hielt
es für eine Schande, daß der Sohn seines Hauses sein Herz an müßigen
Tand gehängt und sah im geistlichen Beruf eine solide Versorgung, nicht
mehr, aber auch nicht weniger.
Die Brüder im Kloster, sein Talent früh erkennend, suchten ihn durch
Einschüchterung im Orden festzuhalten, und die Freunde, die er außer dem
Kloster gewonnen, sprachen dagegen. Der Vater hörte sie nicht, und so ent¬
schloß sich Hutten, der 16—17 jährige Jüngling, zur Flucht.
Ums Jahr 1504—5 verließ er Fulda und ging mittel- und heimatlos
in die weite Welt hinaus. Ungefähr um dieselbe Zeit verließ Luther die
Welt, um ins Kloster zu flüchten und sich dort mit seinen Zweifeln ins
reine zu setzen. Dergleichen hatte Hutten nie gequält. Er wollte Thätigkeit,
Handeln, freie Bewegung, und dazu fand er das Feld nirgends weniger als
im Kloster.
Schwere Tage sind über den jugendlichen Flüchtling gekommen.
Nur ungefähr kennen wir die Städte, die der abenteuernde Wanderer
berührt; ein fahrender Schüler zieht er in vielen Ländern umher: in Erfurt,
Köln, Frankfurt a. D., Greifswald, Wittenberg, Olmütz, Wien tauchte er auf
während dieser ersten unstäten Jahre, und wo wir Näheres von seiner Lage
wissen, da ist sie so armselig und elend als möglich. An manchen Orten
war er eingetragen als clericus Fuldensis, vielleicht weil er in diesem Ge¬
wand einfacher leben und leichter milde Unterstützung finden konnte, als wenn
er sich für einen vornehmen Ritter ausgab. Die Jugend zeigte ihm kein
heiteres Gesicht, er wie Luther ist durch eine freudlose harte Jugend hindurch¬
gegangen, die beiden größten Geister dieser Zeit mußten sich in der Not des
Lebens stählen für den Kamps, der sie erwartete. Alles traf ihn, was einen
Menschen bedrängen kann, Hunger, Blöße, Entbehrung jeder Art, Krankheit
und jähe Unglücksfälle, wie jener Verrat scheinbar wohlwollender Freunde,
die ihn aufnahmen, ausbeuteten und dann fallen ließen, wie jener räuberische
Überfall, der ihn zwang, sich halb entblößt und krank von einem Ort zum
andern zu schleppen. Das waren seine Schicksale nach der Flucht aus dem
Kloster, das Bild eines fahrenden Ritters jener Zeit; nur mit dem Unter¬
schied, daß die andern an der Heerstraße liegen blieben und vergessen endeten,
er aber sich immer wieder emporrafft zu neuem Lebensmut und tapferem
Ausharren.
Was ihn allein aufrecht erhielt, war sein ungeheurer wissenschaftlicher
Eifer. Bei allem Druck seines äußeren Lebens, obgleich krank, arm, hungernd,
verfolgt, verliert er nie seine geistige Kraft, mit der ganzen unverwüstlichen