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konnten in Griechenland unter schlechten Regierungen („jüngere Tyran¬
nis") und bei der andauernden Abneigung selbst der Proletarier gegen
die produktive Arbeit nicht einmal die heimischen Hilfsquellen hinreichend
ausgebeutet werden. Mit der Anhäufung des Vermögens in den Händen
weniger verband sich die unaufhaltsam fortschreitende Verarmung der
großen Maffe.
2. Trotz alledem blieben die Hellenen für die gesamte neue (Staaten-
Welt noch lange unentbehrlich. Der Strom griechischer Auswanderer, der
sich, das Mutterland entvölkernd, über den Orient ergoß, fand hier ein
Feld vielseitiger Kulturarbeit. Die neue durch ihn verbreitete „helle¬
nistische Bildung" wurzelte in einer Art hellenischen Nationalbewußt¬
seins, in dem stolzen Gefühl der geistigen und moralischen Überlegen¬
heit des Hellenentums über die „Barbaren" und fand einen ihrem welt-
bürgerlichen Wesen entsprechenden Ausdruck in der neuen attischen Weltsprache.
3. Die griechische Religion wurde durch orientalische Vorstellungen
und Gottesdienste ausgelöst und bei den Gebildeten immer mehr durch die
Philosophie ersetzt, deren Mittelpunkt Athen blieb (epikureische, stoische,
skeptische Schule). In der Poesie, für welche die Zeitverhältnisse am
wenigsten günstig waren, gedieh neben der neuen attischen Komödie (S. 100)
noch am besten das Epigramm und die Idylle (Theokrit aus Syra¬
kus c. 270). Die Beredsamkeit hatte ihre praktische Bedeutung vollends
verloren und lebte nur noch als Rhetorik in den Schulen von Athen
und Rhodus fort. Die Geschichtschreibung erreichte trotz der Fülle
neuen Stoffes die Höhe früherer Zeiten nicht wieder.
4. Die litterarische Thätigkeit beschränkte sich im wesentlichen darauf,
die vorhandenen reichen Bildungsstoffe wissenschaftlich zu durchdringen und
zu verarbeiten. Darum standen die exakten Wissenschaften im Vorder¬
grund , in denen der Mathematiker Euklides (c. 300) und der Geograph
und Astronom (auch Literarhistoriker) Eratosthenes (c. 250) besonders
hervorragten. In der neu aufkommenden, an den Höfen von Alexan-
dria (Museum, Bibliothek) und Pergatnunt eifrigst gepflegten Philo¬
logie (Textreeensionen der Klassiker) nahm der scharfsinnige Homerkritiker
Aristarchus (c. 200) den ersten Rang ein.
5. Die bildenden Künste, namentlich die Plastik, zeigen trotz
aller Virtuosität der Technik durch ihre vorherrschende Richtung auf den
materiellen Effekt (auf das Kolossale, Prächtige und Pathetische; rhodische
Schule: „Koloß von Rhodus", Laokoongruppe, farnesischer Stier) ben
innerlichen Verfall dieses „alexandrinischen Zeitalters", doch blieb
auch jetzt noch die Reinheit der schönen Form das unzerstörbare Eigen¬
tum der griechischen Meister (Pergamenische Schule: sterbender Gallier,
Gigantomachie am Altar zu Pergatnunt).
Druck von C. Heinrich, Dresden.