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b) Der Zug der Sieben gegen Theben und der
Epigonenkrieg, welche die grauenhaften Fehden unter
den Griechenstämmen wiederspiegeln.
Ödipus, Sohn des Königs Lains von Theben und der Io¬
ta st e, aus Kadmns' Geschlecht, war infolge eines Gotterspruchs ausgesetzt,
aber aufgefunden und von dem Könige Polybns von Korinth erzogen wor¬
den. Mit seiner Abstammung unbekannt, erschlägt er auf dem Wege nach
Theben den Vater, löst das Rätsel der Sphinx nnd gewinnt mit der Hand
der eigenen Mutter den Thron. Als er des unbewußt begangenen Frevels
inne wird, blendet er sich uud wandert an der Hand seiner Tochter An¬
tigone in die Fremde, bis er endlich im Haine der Eumeniden in Kolo¬
nus bei Athen eine Zufluchtsstätte findet. An den unnatürlichen Söhnen
erfüllt sich der Fluch des mißhandelten Vaters. Der ältere Eteokles
vertreibt seinen Bruder Polyuiees, der sich um Hilfe an den König
Ad rastu s von Mykenä wendet. Dieser unternimmt mit Tydens,
Amphiaraus, Kapaneus u. a. den Zug gegen Theben. Aber der An¬
griff wird abgeschlagen, die beiden Brüder fallen im Zweikampf und ebenso
alle argivischen Führer mit Ausnahme des Adrastus. Als Antigone den
allein noch nnbegrabenen Leichnam des Polyniees gegen den Willen
Kreons, des neuen Herrschers in Theben, bestattet, büßt sie ihren Unge¬
horsam damit, daß sie lebendig begraben wird (Selbstmord Hämons).
— Zehn Jahre später unternehmen die Söhne der Sieben, die Epigonen,
einen Rachezug gegen Theben und erobern die Stadt.
c) Der trojanische Krieg, der Zug der Helden der
gesamten Griechenwell gegen Troja oder Ilion in Troas,
um die Entführung der Helena durch Paris, den Sohn des
trojanischen Königs Priamus, zu rächen, ist wohl die sagen¬
hafte Wiederspiegelung gewisser geschichtlicher Vorgänge, wäh¬
rend sich in der anschließenden Odyssenssage die abenteuer¬
lichen Seefahrten der alten Griechen wiedererkennen lassen.
Die Haupthelden des Krieges auf seiten der Griechen sind außer
den Atrideu Agamemnon, dem König von Mykenä, und Menelaus,
dem König von Sparta und Gemahl der Helena, Achilles, Sohn des
Peleus und der Thetis, aus dem thessalischen Phthia, der herrlichste Held
von allen, mit seinem Freunde Patroklus, Diomedes von Argos,
Odysseus von Jthaka, der greise Nestor von Pylns, Ajax, Telamons
Sohn, von Salamis, Ajax, Sohn des Oileus, von Lokris, Jdomeneus
von Kreta u.a. Sammelplatz der böotische Hasen Aulis (Jphigeuia). Erst
nach zehnjährigen Kämpfen führt Achilles, der sich im Groll gegen
den Oberbefehlshaber Agamemnon (Briseis) eine Zeit lang vom Kampfe
zurückgezogen hat, die Entscheidung herbei, indem er Hektor, den Sohn
des Königs Priamus und größten Helden der Trojaner, zur Rache für den
durch ihn getöteten Patroklus überwältigt.
5. Die staatlichen Formen der ältesten Zeit behielten
in denjenigen Landschaften Griechenlands, welche infolge ihrer
Natur am wenigsten dem Wechsel der Bevölkerung ausgesetzt
waren, noch Jahrhunderte hindurch den Charakter der Wander-