Full text: Realienbuch (Teil 2, [Schülerbd.])

72. Der Sperling. 
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einem Gefangenen ausstreckte und denkt an nichts, schrie der 
Gefangene: „Ich bin der Barbier von Segringen!" als wenn 
er wüßte, was ihn retten muß. Der Vogelfänger erschrak 
anfänglich, als wenn es hier nicht mit rechten Dingen zuginge; 
nachher aber, als er sich erholt hatte, konnte er kaum vor Lachen 
zu Atem kommen. Und als er sagte: „Ei, Hansel, hier hätte 
ich dich nicht gesucht; wie kommst du in meine Schlinge?" Da 
antwortete Hansel: „Lar Compagnie“. Also brachte der Vogel¬ 
steller den Star seinem Herrn wieder, und bekam ein gutes 
Fanggeld. Der Barbier erwarb sich aber damit einen guten 
Zuspruch, denn jeder wollte den merkwürdigen Hansel sehen; 
und wer jetzt noch weit und breit in der Gegend will zur Ader 
lassen, geht zum Barbier von Segringen. / 
Merke: So etwas passiert einem Staren selten; aber schon 
mancher junge Mensch, der auch lieber herumflankieren als 
daheim bleiben wollte, ist ebenfalls pur Compagnie in die 
Schlinge geraten und nimmer wieder herausgekommen. 
72. Her Sperling. 
Diesen Graurock kennt jedes Kind. Man sieht ihn 
überall auf Höfen, Strassen, in den Gärten und auf den 
Feldern. Sein Nest hat er unter Dächern, in altem, zerfallenem 
Gemäuer und in hohlen Bäumen. Von Recht und Gerechtig¬ 
keit weiss dieser Bursche nichts. Ohne weiteres dringt er 
in das Nest der friedlichen Schwalbe ein. Er wirft sie aus 
ihrem eigenen Hause hinaus und richtet sich in demselben 
wohnlich ein. Auf dem Hühnerhofe drängt er sich gierig herzu. 
Er thut, als ob er überall zu Hause wäre, und als ob alles 
für ihn da sei. Den Hühnern frisst er das Futter vor dem 
Schnabel weg; die erste reife Kirsche nimmt er vom Baume, 
und von der Weintraube pickt er die süssesten Beeren. Wird 
er bei einer Tafelfreude gestört, so fliegt er auf den nächsten 
Baum oder aufs nächste Dach und kann sich lange nicht zu¬ 
frieden geben. Auch auf die Felder dehnt er seine lästigen 
Besuche aus. Er erntet überall, wo er nicht gesäet hat. Im 
Frühling lebt er von Würmern, Spinnen, besonders aber von 
Raupen. So ausgelassen und keck er im Sommer ist, so klein¬ 
laut und verzagt zeigt er sich im Winter. Da sitzt er auf dem 
Fensterbrette und pickt die Brotkrümchen auf, die man ihm 
hinstreut oder hüpft auf dem Kehricht umher, um ein ver¬ 
lorenes Körnlein zu finden. 
Der Sperling brütet während eines Sommers fünfmal und braucht 
■wöchentlich für sich und seine Jungen gegen 3300 Raupen. Zu seinem 
Geschlechte gehören u. a. der Zeisig, wegen seiner Vorliebe für 
Erlensamen auch Erlenfink genannt, der Stieglitz oder Distel¬ 
fink, der Buchfink, der Kanarienvogel und die ■verschiedenen 
Arten von Ammern.
	        
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