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Freunde in Stralsund, deren Vertrauen er verdient hatte, schossen
ihm dazu die nötige Summe vor.
Wir wohnten nun zu Dumsevitz fünf bis sechs Jahre, ich meine,
bis zum Jahre 1780. Wir waren ein Viergespann von Buben, und
es kamen hier bald noch ein Mädchen und ein Knabe hinzu, so datz
in Dumsevitz das halbe Dutzend voll ward. Was nun das Außere
betrifft, so waren wir freilich aus dem Palast in die Hütte versetzt.
Dumsevitz war ein häßlicher, zufällig entstandener Hof mit einen:
neuen, aber doch kleinlichen Hause. Indessen lagen hübsche Wiesen
und Teiche umher nebst zwei sehr reichen Obstgärten. In den Feldern
gab es Hügel, Büsche, Teiche, Hünengräber, alles in dem unordent¬
lichen Zustande eines noch sehr unvollkommenen, ursprünglichen
Ackerbaus. Die Natur war, mit Goethe zu reden, gottlob noch nicht
reinlich gemacht und ihre ungestörte Wildheit mit Vögeln, Fischen,
Wild und Herden desto lustiger. Auch streiften wir, dem fröhlichen
Jäger, den: Vater und seinen Hunden folgend, oft darüber hin.
Das hatten wir alles zu genießen; wir behielten aber Schoritz, wo
uns ganz nahe befreundete Leute wohnten, und das nahe Silmnitz,
worauf Ohm Moritz Schuhmacher als Pächter gezogen war, eigentlich
immer noch als unsre Heimat, weil die Nachbarn und Nachbarskinder
immer wöchentlich, oft täglich zusammenliefen. Dies geschah am
meisten in dem Wald Krewe, worin wir bei der Vogelfüngerei und
Vogelstellerei meistens freundlich, zuweilen aber auch feindlich zu¬
sammenstießen. Wir hatten überhaupt ein glückliches Leben. Es
war zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre nach dem Siebenjährigen
Kriege eine stille, heitere Zeit. Die Menschen fühlten sich außer¬
ordentlich wohlig und ließen bei Besuchen und Festlichkeiten wie bei
Reisen zu entfernten Verwandten die Kinder an dkm freundlich teil¬
nehmen.
3. Im Herbst und Winter, wenn die Eltern am meisten Zeit
hatten, hielten sie Schule mit uns. Schreiben und Rechnen lehrte
der Vater, und die Mutter hielt die Leseübungen. Sie machte unsre
jungen, flatternden Geister durch Erzählungen und Märchen lebendig,
die sie mit großer Anmut vorzutragen verstand. Das Lesen ging
aber in den ersten Jahren fast nicht über Bibel und Gesangbuch
hinaus; ich möchte sagen, desto besser für uns. Sie war eine fromme
Frau und eine gewaltige Bibelleserin, und ich denke, ich habe die
Bibel wohl drei-, viermal mit ihr durchgelesen. Das Gesangbuch
mußte auch fleißig zur Hand genommen werden, und den Samstag¬
nachmittag mußten die Jungen unerläßlich entweder ein aufge¬
gebenes Lied oder das Sonntagsevangelium auswendig lernen.
Das geschah, weil sie eine sanfte und liebenswürdige Schulmeisterin