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141. Mein Ururgroßvater und der Alte Fritz.
Nach Wilhelm Bruchmüller.
Unter den vielen Kolonisten, die dem Nuf des großen Friedrich
in das von ihm urbar gemachte Oderbruch folgten, befand sich auch
mein Ururgroßvater. Er muß ein lebhafter, tatkräftiger und unter¬
nehmender Mann gewesen sein, den eine gewisse unruhige Tatenlust zu
immer neuen Unternehmungen anreizte. Zunächst ließ er sich im Ober-
Oderbruch bei Frankfurt an der Oder nieder, wo er auf einem Sandberge
die ersten drei Windmühlen, die das Oderbruch sah, erbaute. Von
diesen Windmühlen erhielt er den Namen Bruchmüller, so daß sein alter
Name über diesem neuen vollkommen in Vergessenheit geraten ist. Nur
einige Jahre jedoch hielt er es in Manschnow aus. Als auch das Mittel-
Oderbruch durch Dämme trockengelegt worden war, ging er nach seiner
alten Heimat zurück, führte von dort eine Schar Kolonisten ins Mittel-
Oderbruch und begründete dort das Dorf Neurüdnitz, wofür er das
erbliche Lehnschulzenamt daselbst erhielt. Kaum, daß die Kolonisten
angefangen hatten, in der neuen Heimat etwas warm zu werden, da
erschienen russische Agenten im Oderbruch, um im geheimen Auftrag
ihrer Kaiserin deutsche Auswanderer nach Rußland in die Wolganiede¬
rungen zu locken.
Überall wurde in der Stille gepackt und das Bündel geschnürt,
und die eben erst eingenommene neue Heimat sollte wieder ver¬
lassen werden. Da kam plötzlich, wenige Tage vor dem zum Aufbruch
festgesetzten Termin, ein Kommando Husaren ins Dorf gesprengt, um¬
stellte den Schulzenhof, hob meinen Ururgroßvater auf und schleppte
ihn nach der Festung Spandau. Die Behörden hatten nämlich von
den möglichst geheim betriebenen Wanderzurichtungen doch Wind be¬
kommen und beschlossen, ohne viel Lärm zu machen, nur den als Führer
bekannten Vruchmüller aufheben zu lassen. Der Zweck war erreicht, die
Neurüdnitzer sahen sich führerlos und packten wieder aus, froh, ohne
weitere Strafe davonzukommen. Nur in das Haus des Lehnschulzen
war die Trauer eingekehrt. Der Vater war der Familie entführt
worden, und Tage um Tage vergingen und wurden zu Wochen, ohne
daß von seiner Freilassung irgend etwas verlautet wäre; ja, die junge,
verlassene Frau hörte, daß der gefangene Vruchmüller einer strengen
Bestrafung entgegensehe. Endlich nach einigen Wochen des Hangens
und Vangens faßte die Frau sich ein Herz und machte sich mit ihrem vier-
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